Kiez-Urgestein Günter Zint hat als Fotograf über Jahre die Bestände bedeutender Hamburger Kollegen gesammelt. An seinem einzigartigen Archiv hat nur einer kein Interesse: die Kulturbehörde

Günter Zint hat St. Pauli schon mit dem Verein Kiezmuseum ein unersetzliches Bildarchiv beschert. Der langjährige Pressefotograf und Gründer der „St. Pauli Nachrichten“ (1969) kannte in Hamburg und auch auf dem Kiez alle Kollegen. Über Jahre hat er ihre Archive und Nachlässe gekauft, beziehungsweise vor der Müllabfuhr gerettet. Auf seinem Bauernhof in Nord-Niedersachsen lagert tonnenweise Fotomaterial mit zum Teil denkwürdigen Motiven der Hamburger Zeitgeschichte. Ein Stück Heimat, das Vergangenes in einzigartiger Weise dokumentiert. Jetzt ist Günter Zint 73 Jahre alte, und er fragt sich, was aus dem Material wird.

Hamburger Abendblatt:

Ihr Archiv besteht aus eigenen Arbeiten, aber auch aus Nachlässen anderer Fotografen. Warum haben Sie gesammelt?

Günter Zint:

Es sind, wenn ich genau nachzähle, 17 Archive verschiedener Fotografen. Sie haben alle soziale Dokumentationen gemacht und mit dem Blick gearbeitet, den ich auch habe: Hochkultur und Promis haben mich nie interessiert, ich hab immer unten gegraben. Wenn Kollegen aufhörten, fragten sie mich: Was mache ich mit meinem Archiv? Weil ich einen großen Bauernhof habe, sagte ich, du kannst es erst mal bei mir unterstellen. Ich war fünf Jahre fest beim „Spiegel“ und danach beim „Stern“ und habe da zum Glück noch die Zeiten erlebt, wo man anständig fürs Fotografieren bezahlt wurde. Dadurch konnte ich Ankäufe machen. Ich habe allein zwei Tonnen an Foto-Glasplatten bei mir liegen.

Jetzt sorgen Sie sich, was daraus wird?

Zint:

Hier im Kiezmuseum stehen vier Schränke voll mit Fotos, auf meinem Hof habe ich 65 Schränke voll. Das ist für meine Kinder ein Riesen-Nachlass. Deshalb habe ich auch angefangen, Nachlässe abzugeben. Aber Hamburg hat bisher kein Interesse gehabt.

Hat die Kulturbehörde kein Angebot gemacht?

Zint:

Nein. Vor ein paar Wochen hatte ich ein Gespräch mit der Senatorin Barbara Kisseler, da gab sie mir zu verstehen: kein Geld da. Bei einem Gespräch mit der für Fotografie zuständigen Mitarbeiterin in der Kulturbehörde hatte ich den Eindruck, dass sie die Namen der wichtigen Hamburger Fotografen nicht kannte, deren Nachlässe ich habe.

Sie befürchten also, dass die Archive irgendwann unter den Hammer kommen oder auf den Müll wandern, weil man sie nicht mehr benutzen kann?

Zint:

Ja, deshalb habe ich mich an die Deutsche Fotothek in Dresden und das Zeitgeschichtliche Forum in Leipzig gewendet, den Ausstellungsort der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“; dort gibt es in diesem Jahr auch zwei Ausstellungen von mir.

Wie war deren Reaktion?

Zint:

Der Leiter der Fotothek war sofort interessiert, er kannte die Bestände teilweise noch nicht. Er interessiert sich für allgemeine deutsche Geschichte, also auch für meine eigenen Fotos, etwa von all den Kanzlern, Wahlkampfreisen mit Brandt und Kennedy, der Anti-AKW-Bewegung. Jetzt haben wir gerade vereinbart, dass die Fotothek den Nachlass Germin kauft (siehe unten). Das Dresdner Stadtarchiv kauft das Archiv Hartz von mir – Hans Hartz war ein Hamburger Fotograf, der Dresden 1939 vor der Zerstörung auf großen Glasplatten fotografiert hatte. Die wurden nie veröffentlicht. Auch das Zeitgenössische Forum in Leipzig, das schon Bestände von mir hat und zurzeit zwei Ausstellungen von mir zeigt, ist interessiert. Meine besten Abnehmer sind zurzeit das Haus der Geschichte plus die Deutsche Fotothek.

Dann muss man künftig nach Dresden oder Leipzig fahren, um zeitgenössische oder historische Hamburger Fotografien zu sehen? Hamburg lobt sich doch selbst mit den Deichtorhallen als Hort der Fotografie.

Zint:

In Hamburg hat offenbar niemand Interesse. Ich habe die Sachen angeboten wie sauer Bier.

Früher gab es eine Landesbildstelle mit Hamburger Fotomaterial, dann hieß es Landesmedienzentrum, dann Bildarchiv Hamburg. Das wäre doch der richtige Ort für diese Bestände.

Zint:

Das Bildarchiv Hamburg ist provisorisch im Denkmalschutzamt untergebracht, geht aber im Januar 2015 in den Keller vom Staatsarchiv. Da wird es aber quasi nur eingelagert.

Das heißt, wenn jemand für einen Artikel, ein Buch oder eine Ausstellung solches Material sucht, ist niemand mehr da, der sich damit auskennt?

Zint:

Es gibt eine Mitarbeiterin, die das Archiv seit 30 Jahren gut kennt, Margret Recke, aber bisher ist nicht vorgesehen, dass sie es weiter betreut. Ich habe vorgeschlagen, dass sie hier im St.Pauli Museum sitzen, das Archiv mitnehmen und von hier aus betreuen kann.

Sie haben sich an den ehemaligen Bürgermeister Henning Voscherau gewendet und ihn um Unterstützung gebeten. Was hat er gesagt?

Zint:

Wir kennen uns schon lange, als er Hamburgs Bürgermeister war, war ich Sprecher der Hamburger Pressefotografen. In einem Punkt haben wir uns immer verstanden: Wir finden, dass Hamburg mit seiner Vergangenheit schändlich umgeht. Wir wollen einen Weg finden, wie wir dieses Archiv zumindest der Öffentlichkeit in Hamburg erhalten.