Knapp 30 Backsteinbauten des legendären Oberbaudirektors werden 100. Eine Gesellschaft bewahrt das Andenken.

Hamburg. Die Hauptfeuerwehrwache am Berliner Tor, die Hochschule für Bildende Künste, die Davidwache auf St.Pauli, das Tropeninstitut, die Handwerkskammer, Schulen wie das Johanneum, das Lotsenhaus Seemannshöft, das Hamburg Museum oder auch das Holthusenbad – das sind nur einige von knapp 30 öffentlichen Bauten in Hamburg, die gerade 100 Jahre alt geworden sind oder demnächst dieses Baualter erreichen.

Sie alle sind von dem legendären Hamburger Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869–1947) und dessen Mitarbeitern entworfen worden. Und, wohl verblüffend für heutige Tage: Anders als bei den städtischen Projekten unserer Tage, wie der Elbphilharmonie oder der HafenCity Universität, blieb Schumacher immer im zuvor kalkulierten Budget. „Solide bauen, solide planen: Das war sein Ziel“, sagt Klaus-Dieter Ebert, Ehrenvorsitzender der Hamburger Fritz-Schumacher-Gesellschaft.

Die Gesellschaft feiert in diesem Jahr selbst ein Jubiläum: Vor 20 Jahren fanden sich Stadtplaner wie der frühere Baudirektor Ebert, Architekten und Hochschullehrer wie der heutige Vorsitzende Dirk Schubert zusammen, um die Gesellschaft zu gründen. Nicht nur, weil man es an der Zeit fand, wieder vermehrt an Schumacher zu erinnern, dessen Stil Hamburg prägt. Vor 20 Jahren gerieten viele dieser Gebäude in Gefahr. Die roten Fassaden drohten hinter Wärmedämmplatten zu verschwinden. Die Schumacher-Gesellschaft und ihr später gegründetes Schumacher-Institut setzten eine öffentliche Diskussion in Gang, brachten Fachleute zusammen, um Alternativen zu entwickeln.

Heute ist man in Hamburg für das Thema sensibilisiert, es wurden sogar offizielle „Backstein-Berater“ berufen, die bei anstehenden Sanierungen Kriterien festlegen. Doch auch 20 Jahre nach der Gründung gebe es für die Schumacher-Gesellschaft noch genug zu tun, sagt Ebert. Aktuell kämpfen Schumachers Erben beispielsweise für ein Backsteingebäude aus der Schumacher-Zeit am Elisabethgehölz in Hamm, das von der Eigentümergemeinschaft abgerissen werden soll. „Eine Schande“, wie Ebert sagt.

Die Gesellschaft kümmert sich um die wissenschaftliche Aufarbeitung der vielen Schriften und Entwürfe Schumachers, der eine ungewöhnliche Bandbreite entfaltet hatte. Schumacher entwarf Pläne von Türklinken, Toilettenhäuschen bis hin zu den markanten Großbauten. Er plante aber auch Bühnenbilder und inszenierte am Theater selbst Stücke. Und er erfand gewissermaßen auch eine Regionalplanung, die später in das vergrößerte Hamburg mündete.

Aber vor allem geht auf ihn eine ungemein große Fülle von Bauten zurück, mehr als 200 sind es in Hamburg, darunter etwa 100 öffentliche Gebäude. Fast alle seiner etwa 30 geplanten Schulen stehen noch heute. „Bauschäden haben wir dort höchstens in den Anbauten der 70er- und 80er- Jahre“, sagt Ebert.

Es war eine schwierige Aufgabe, als der gebürtige Bremer Schumacher 1909 sein Amt in Hamburg antrat. Hamburg war auf dem Weg zur Millionenstadt, die sie 1913 schließlich wurde. Die heute so geschätzten Gründerzeitbauten waren meist graue Häuser mit engen Wohnungen und dunklen Höfen. Schumacher hatte sich auf dieses Amt intensiv vorbereitet und dazu eine unbezahlte Auszeit genommen, bevor er kurz vor seinem 40. Geburtstag von Dresden nach Hamburg wechselte und zunächst als Baudirektor begann. Großstädte hatten ihn zuvor schon geprägt. Sein Vater war Konsul in New York, starb aber früh und hinterließ wenig. Als Student musste Schumacher selbst Geld verdienen. Und er lernte um 1890 in Berlin das Wohnelend in den engen Arbeiterquartieren kennen. Daher, so vermuten spätere Biografen, stammt sein soziales Engagement für eine Reformarchitektur, die auch einfachen Schichten ein gesundes, ein besseres Wohnen ermöglichen sollte. Mit „Licht und Luft“, wie er forderte.

Allein mit der großen Baukunst sei dies nicht zu schaffen, war Schumacher überzeugt: „Kleinwohnungen bilden den eigentlichen Leib der Großstadt, und nur wenn dieser Leib gesund ist, kann alles was mit ihm zusammenhängt, gesund werden“, schrieb er in einer seiner vielen Texte zum Städtebau, die er selbst als „Kampfschriften“ bezeichnete. Später plädierte er für eine Reform des Bodenrechts.

Ziel der Politik müsse es sein, „dass der Gebrauch von Grund und Boden nicht nur dem Einzelnen, sondern zugleich der Allgemeinheit dient“. Sätze, die im aufgeheizten Mietmarkt unserer Tage gar nicht so altmodisch klingen. Schumacher selbst, der unverheiratet blieb und mit seiner Schwester zusammenlebte, wirkte äußerlich allerdings alles andere als ein streitbarer Erneuerer. Stets war er korrekt und ein wenig altmodisch gekleidet. Typisch sein Kneifer und der dichte Bart. Ein eher zierlicher und liebenswürdiger Mensch, der nicht nur scharfzüngig, sondern auch äußerst humorvoll sein konnte.

In den 20er- und 30er-Jahren konzentrierte sich Schumacher, der zwischenzeitlich auch in Köln gearbeitet hatte, auf den großflächigen Siedlungsbau der wachsenden Stadt. Die großen Backsteinsiedlungen wie in Dulsberg oder Hamm entstanden so und prägen bis heute das Bild der roten Stadt. Sein Stil wandelte sich dabei vom „freundlichen Reformstil zu einer neuen Sachlichkeit“, wie es in der Biografie der Schumacher-Gesellschaft heißt. Nicht alles entwarf er selbst; vieles bis 1933, als er von den Nazis aus dem Amt gedrängt wurde, entstand aber wohl nach seinen Vorgaben. Externe Architekten arbeiteten danach, Schumacher stand aber auch ein Hochbauamt mit rund 100 Mitarbeitern zur Verfügung, das städtische Projekte selbst planen und kalkulieren konnte. Eine Mitarbeiterzahl, von der Stadtplaner heute nur träumen können. Vielleicht waren dies und der hohe Anspruch eines soliden Bauens die Gründe dafür, dass er immer im kalkulierten Preis blieb, vermutet Schumacher-Bewahrer Ebert. „Auf jeden Fall“, so Ebert, „war er ein Phänomen – so einen gab und gibt es nirgendwo.“