Nach dem Kohlenmonoxid-Unglück mit drei Toten und 13 Verletzten deutet vieles auf eine defekte Heizung hin. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Harburg. Das tödliche Gas hat die drei Männer am Beckerberg offenbar im Schlaf überrascht. Als die Polizei sie am Dienstagmittag in ihren Wohnungen entdeckte, waren sie spärlich bekleidet oder trugen Schlafanzüge. Außer den drei Todesopfern im Alter von 32, 56 und 72 Jahren wurden 13 Bewohner zum Teil schwer verletzt, darunter auch ein erst ein Jahr altes Kleinkind.

Wie sich jetzt herausstellte, war möglicherweise ein Defekt der Heizungsanlage in einem der beiden betroffenen Mehrfamilienhäuser am Beckerberg 9 und 11 die Ursache für die Gas-Tragödie. Und nicht, wie zunächst vermutet, ein verstopfter Schornstein.

Das Kohlenmonoxid könnte sich nach Angaben von Ermittlern sogar durch die Wände angrenzender Wohnungen ausgebreitet haben. Wie kann man so einem schleichenden Tod vorbeugen? Das Abendblatt hat Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt:

Wie groß ist die Gefahr einer Vergiftung durch Kohlenmonoxid?

Relativ gering – wenn die Heizungsanlagen ordnungsgemäß gewartet und überprüft werden, sagt der Innungsmeister der Hamburger Schornsteinfeger-Innung, Rainer Hoppe. „Das ist das A und O“. Kohlenmonoxid entsteht bei einer unvollkommenen Verbrennung von Gas oder Öl, sagt Hoppe. Kohlenmonoxid sei deshalb so gefährlich, weil es farblos und geruchlos sei. Die Betroffenen würden schnell bewusstlos und sterben an einer Sauerstoffunterversorgung. Kohlenmonoxid könne beispielsweise aus einer Gastherme austreten, wenn der Brenner verdreckt oder die Zuluft deutlich verringert sei. Das könne passieren, wenn etwa bei Handwerksarbeiten sehr viel Staub freigesetzt werde und mit der Zuluft in die Anlage gesogen werde. Oder wenn die Therme so zugestellt werde, dass nur noch wenig Zuluft in das Gerät gelange. Seit Mitte der 90er-Jahre sind die Thermen technisch gesichert, sodass die Verbrennung bei einem erhöhten Abgas-Austritt gestoppt wird. Eine andere Möglichkeit sind verstopfte Kamine. Wenn Vögel in den Schornsteinen ein Nest gebaut haben, kann das Kohlenmonoxid nicht entweichen, sondern wird in den Raum zurückgedrückt – dadurch nimmt der Sauerstoffgehalt ab. Kohlenmonoxid kann sogar Wände durchdringen. Der Nachweis des Gases ist beispielsweise durch CO-Warngeräte möglich.

Wie erkennt man, dass Kohlenmonoxid austritt?

In der Regel gar nicht. Ein Hinweis, dass Abgase wie Kohlenmonoxid ausströmen, erhält man höchstens, wenn man seine Hand vor die Therme hält und einen warmen Zug verspürt, da Abgase warm sind. Das Tückische am Kohlenmonoxid: Es ist geruch-, farb- und geschmacklos. Mit speziellen Messgeräten prüfen Schornsteinfeger in der Regel einmal pro Jahr, ob und welche Abgase aus einer Therme austreten. Bei einem Wert von mehr als 500 ppm (Teilchen CO pro Million Luftteilchen) werden die Kunden auf eine Wartung der Anlage hingewiesen, ab einem Wert von 1000 ppm wird die Anlage stillgelegt. Sie muss dann innerhalb von zwei Wochen instand gesetzt und nochmals von einem Schornsteinfeger überprüft werden. Geschieht das nicht, werde das zuständige Bezirksamt informiert, sagt Hoppe. Überhaupt sei bei Heizungsanlagen grundsätzlich ein Vieraugenprinzip sinnvoll. „Am besten ist es, wenn ein Installateur die Anlage einmal jährlich wartet und ein Schornsteinfeger einmal jährlich prüft.“ Anlass zur Panik nach der Tragödie bestehe allerdings nicht. „Wir sind hier in Hamburg schon sehr gut aufgestellt.“ Kohlenmonoxid-Vergiftungen durch technische Defekte seien „extrem selten“.

Wie werden Kohlenmonoxid-Vergiftungen behandelt?

Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung – etwa 150 Fälle pro Jahr enden in Deutschland tödlich – wird der Sauerstofftransport im Blut blockiert. Das Kohlenmonoxid setzt sich auf die roten Blutkörperchen, die für den Transport des Sauerstoffs zuständig sind. Selbst wenn man dann 100-prozentigen Sauerstoff zuführt, kann der Körper nur einen kleinen Teil aufnehmen, weil ja die Blutkörperchen belegt sind. Alternativ kommen spezielle Druckluftkammern zum Einsatz. Die Gefahr bleibender Hirnschäden ist bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung relativ hoch.

Hätten die Betroffenen gerettet werden können?

Tatsache ist: In der Nacht vor dem Unglück waren dreimal – dieselben – Rettungsassistenten der Feuerwehr zum Beckerberg ausgerückt. Um 22 Uhr klagte ein 60-Jähriger über Herzprobleme, um 2 Uhr meldete sich eine 75-Jährige nach einem Sturz, um 4 Uhr klagte ein 21-Jähriger über Übelkeit. „Die einzelnen Krankheitsbilder waren zu unterschiedlich, als dass unsere Leute von einer Kohlenmonoxid-Vergiftung als Ursache ausgehen konnten“, sagt Feuerwehrsprecher Hendrik Frese. „Wenn alle drei über Herzrasen geklagt hätten, hätte man sicherlich genauer hingeschaut.“ Zudem seien Kohlenmonoxid-Vergiftungen alles andere als alltäglich.

Zieht die Feuerwehr Konsequenzen?

„Wir werden den Einsatz genau auswerten“, sagt Frese. Zu „CO-Warnern“ – Geräte, die fortlaufend die Umgebungsluft messen und bei einer zu hohen Kohlenmonoxid-Konzentration Alarm schlagen – laufe bereits ein Projekt der Hamburger Feuerwehr. Mit diesen Geräten seien standardmäßig die Berufsfeuerwehren Düsseldorf und Berlin ausgerüstet. „In diesem Fall hätte ihr Einsatz wohl Leben retten können“, sagt Daniel Dahlke, Vorsitzender des Berufsverbands der Feuerwehr in Hamburg. Die CO-Warner verbesserten den Eigenschutz der Beamten und auch die Qualität der Rettungseinsätze.

Wo sind die Bewohner der beiden Häuser untergekommen?

Beide Gebäude sind von der Polizei als Tatort beschlagnahmt worden. Laut Bezirksamt musste für einen Mieter ein Hotelzimmer besorgt werden. Alle anderen Bewohner sind erst beim DRK und im nahen Bürgerzentrum „Feuervogel“ betreut worden, bevor sie später bei Verwandten oder Bekannten unterkamen. Sowohl im Feuervogel als auch in der DRK-Kreisgeschäftsstelle versorgten DRK-Helfer und Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams die Hausbewohner und ihre Angehörigen.