Drei Tote durch Kohlenmonoxid-Vergiftung: Schon in der Nacht zuvor riefen Hausbewohner dreimal die Feuerwehr

Harburg. Das schwerste Kohlenmonoxid-Unglück seit vielen Jahren erschüttert Hamburg. Drei Menschen starben, zehn weitere sind zum Teil lebensgefährlich verletzt worden, weil das geruchs- und farblose Gas in ihre Wohnungen am Beckerberg eingedrungen war. Wie sich das Kohlenmonoxid unbemerkt in zwei Mehrfamilienhäusern im Harburger Phoenix-Viertel ausbreiten konnte, müssen die Ermittler des Landeskriminalamts noch klären. Vermutlich stehen auch noch drei weitere Rettungswageneinsätze im selben Haus in der Nacht vor der Tragödie mit Kohlenmonoxid in Verbindung.

Gegen 22 Uhr war am Montagabend zunächst ein 60 Jahre alter Bewohner aus dem Haus Beckerberg 9 ins Krankenhaus gekommen. Er hatte über Herzprobleme geklagt. Um zwei Uhr wurde die Feuerwehr erneut zur selben Hausnummer gerufen. Diesmal musste eine 75 Jahre alte Frau in die Klinik transportiert werden. Die Rentnerin war in ihrer Wohnung gestürzt.

Um vier Uhr dann schon wieder ein Einsatz im Haus Nummer 9. Diesmal war es ein 21-Jähriger, der über Übelkeit klagte. Er wurde laut seinem Vater wieder aus dem Krankenhaus entlassen, weil man keine Ursache fand.

„In allen drei Fällen war es dieselbe Rettungswagenbesatzung, die dort im Einsatz war“, sagt ein Feuerwehrsprecher. Lediglich der 21-Jährige habe typische Symptome gezeigt, für die eine Kohlenmonoxidvergiftung verantwortlich sein könnte. Dass aber in allen drei Fällen derselbe Auslöser vorliegen könnte, sei für die Feuerwehrleute nicht erkennbar gewesen. „Die Kollegen hatten sich in allen Fällen auch selbst in dem Gebäude aufgehalten und keinerlei Symptome gezeigt“, sagt der Feuerwehrsprecher.

Es gibt noch weitere Hinweise darauf, dass sich das Kohlenmonoxid bereits in der Nacht in dem Gebäude ausgebreitet hatte: Die drei toten Männer sollen bei ihrer Entdeckung um die Mittagszeit Schlafanzüge getragen haben oder nur spärlich bekleidet gewesen sein. Das deutet darauf hin, dass sie im Schlaf von dem Gas überrascht wurden.

Vergiftungen durch Kohlenmonoxid im Zusammenhang mit Heizungsanlagen kommen immer wieder vor. „Die Ursachen können vielfältig sein“, sagt ein Schornsteinfeger. Technische Defekte an einer Therme, schlechte Wartung der Heizungsanlage oder ein verstopfter Schornstein sind mögliche Ursachen. Erst am vergangenen Donnerstag war eine Familie aus St. Georg ins UKE eingeliefert worden. Sie hatte unter den typischen Vergiftungserscheinungen gelitten. Kurz zuvor war in ihrer Wohnung eine neue Heizung eingebaut worden. In anderen Fällen ist es bodenloser Leichtsinn, der zu solchen Unglücken führt. An der Seehafenstraße in Harburg wurden drei Menschen verletzt, weil ein 48 Jahre alter Mieter in seiner Wohnung einen offenen Holzkohlegrill zum Heizen benutzt hatte.

Was das Gas so gefährlich macht, sagt Dr. Michael Groening, Leitender Arzt der Notaufnahme des Albertinen-Krankenhauses. Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung wird der Sauerstofftransport im Blut blockiert. Normalerweise bindet sich Sauerstoff an die roten Blutkörperchen, die für die Weiterleitung zuständig sind.

„Kohlenmonoxid bindet jedoch deutlich stärker an das Hämoglobin und blockiert somit den Transport von Sauerstoff“, sagt Dr. Groening. Das Gefährliche bei einer solchen Vergiftung: „Kohlenmonoxid kann man weder sehen noch riechen oder schmecken“, sagt Groening. Die Symptome erscheinen harmlos: Konzentrationsprobleme, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit.

Wird die Situation nicht schnell genug erkannt, verlieren die Betroffenen das Bewusstsein und sterben an einer Sauerstoffunterversorgung. Wie schnell es dazu kommt, ist laut Dr. Michael Groening von Fall zu Fall unterschiedlich. Je nach Konzentration in der Luft und Grad der körperlichen Aktivität kann es Minuten bis Stunden dauern. „Bei viel Bewegung nehmen die Betroffenen schneller mehr giftiges Gas auf als im Ruhezustand. Im Schlaf vollzieht sich die Vergiftung deshalb meist langsam und schleichend.“ Und eine Therapie ist schwierig: „Selbst, wenn man über eine Maske 100-prozentigen Sauerstoff zuführt, kann der Körper diesen nur zu einem kleinen Teil aufnehmen, weil die roten Blutkörperchen bereits belegt sind.“ Alternativ könne noch mit speziellen Druckluftkammern gearbeitet werden – sie sind jedoch nicht in allen Kliniken verfügbar.