Andreas Kellner, Chef des Denkmalschutzamts, verteidigt das Vorgehen seiner Behörde bei den City-Hochhäusern und Gründerzeithäusern.

Hamburg. Denkmalschutz für die City-Höfe, aber kein Schutz für das Backstein-Ensemble aus den 20er-Jahren am Elisabethgehölz – die Diskussion um Erhalt oder Abriss alter Häuser ist in vollem Gange. Axel Tiedemann und Oliver Schirg sprachen darüber mit dem Behördenchef Andreas Kellner.

Hamburger Abendblatt: Brauchen wir ein Umdenken im Denkmalschutz?
Andreas Kellner: Die Diskussion entzündet sich stets an den immer wieder gleichen, wenigen umstrittenen Beispielen. Ein Umdenken ist aus meiner Sicht dadurch nicht erforderlich. Wir haben 18.000 geschützte Denkmäler, die allermeisten sind unstrittig.
Selbst Oberbaudirektor Jörn Walter fordert ein Umdenken und will die City-Hochhäuser abreißen lassen.
Kellner: Noch einmal: Wir können solche Diskussionen nicht nur an wenigen Einzelfällen führen. Das Verhältnis der geschützten Bauten aus der Zeit zwischen 1850 und Zweitem Weltkrieg und denjenigen aus der Nachkriegszeit liegt bei etwa acht zu eins. Ich glaube, schon daran ist ablesbar, dass wir die richtigen Gebäude schützen.

Nun, der Zeitraum für die älteren Bauten ist ja auch länger.
Kellner: Deshalb gibt es ja auch den absoluten Schwerpunkt bei den älteren Gebäuden. Bei den jüngeren gilt, dass man sich ungefähr ein bis zwei Generationen, also 30 bis 40 Jahre Abstand nimmt, um über Denkmalschutz nachzudenken. In der Nachkriegsarchitektur schauen wir uns jetzt primär die Bauten der 50er- und 60er-Jahre an. Das betrifft zum Beispiel die City-Hochhäuser, die Bürogebäude von IBM, Spiegel oder Hamburg Süd. Da waren hervorragende Architekten an der Planung beteiligt. Aber schöne Wohngebäude stammen ebenfalls aus dieser Zeit wie auch manch stadtbildprägendes Bauwerk, zum Beispiel die Großmarkthalle oder die Alsterschwimmhalle. Es gibt auch bei Gebäuden dieser Zeit oft schon eine große historische Bedeutung – auch wenn die öffentliche Wahrnehmung darüber noch nicht so einig ist wie bei älteren Bauschichten.

Schönheit scheint bei der Beurteilung aber keine Rolle zu spielen.
Kellner: Doch. Es gibt mehrere und gleichwertige Kriterien, mit denen wir nach dem Gesetz die Denkmalwürdigkeit zu beurteilen haben. Die wissenschaftliche, geschichtliche und städtebauliche Bedeutung sind solche Maßstäbe. Aber auch die künstlerische Bedeutung. Das betrifft, wenn Sie so wollen, auch die Schönheit. Aber Geschichte schreitet voran und hinterlässt nicht nur schöne Spuren. Sie wird durch geschützte Baudenkmäler aller historisch wichtigen Phasen der Stadtentwicklung dokumentiert. Und darauf kommt es an.

Ist es nicht auch wichtig, dass den Menschen die vertraute Umgebung erhalten bleibt?
Kellner: Keine Frage. Aber mit Denkmalschutzinstrumentarien können wir nicht ganze Quartiere oder Stadtteile schützen, selbst mit dem sogenannten Ensembleschutz nicht. Dazu gibt es andere Mittel, die man wie die städtebaulichen Erhaltungssatzungen noch ausbauen kann. Wir müssen bei unserer Entscheidung ja auch immer um Balance zwischen öffentlichen Erhaltungsinteressen und privaten Rechten bemüht sein. Schließlich bedeutet der Denkmalschutz eine starke Einwirkung auf das Grundrecht auf Eigentum. Was wir entscheiden, muss vor Gericht Bestand haben. Deshalb müssen wir sorgfältig und kritisch arbeiten. Das ist uns bislang gut gelungen. Wir haben noch kaum einen Gerichtsprozess verloren.

Im Fall der nicht geschützten beiden Gründerzeithäuser an der Breiten Straße in Altona wollte der Eigentümer den Denkmalschutz. Geschützt sind aber nur die Nachkriegsbauten nebenan.
Kellner: Da verweise ich noch einmal auf die Zahlen: Wir haben Tausende geschützte Gründerzeithäuser in Hamburg, vor dem Hintergrund wurde hier eine Auswahlentscheidung getroffen.

Gut, aber im Fall des Elisabethgehölzes gibt es eine breite Forderung auch von Denkmalverein und Architektenkammer zum Schutz.
Kellner: Das Elisabethgehölz gehört zu den Grenzfällen, die es immer geben wird. Auch in solchen Fällen muss es eine Entscheidung geben. Wir sitzen hier nicht auf dem hohen Ross und verschließen uns Argumenten. Aber wir müssen streng abwägen, um vor Gerichten zu bestehen. Im Fall des Elisabethgehölzes kommt dazu, dass inzwischen so viele wirtschaftliche Entscheidungen gefallen, Genehmigungen erteilt worden sind – da würde auch eine andere Einschätzung nicht mehr helfen.

Ist auch bei den City-Hochhäusern fraglich, ob der Denkmalschutz sie vor Abriss rettet?
Kellner: Zumindest gibt es einen ersten Erfolg. Die Ausschreibung durch die Stadt ist zweigleisig. Neben Abriss und Neubau können sich Investoren mit einem Konzept bewerben, das alternativ Erhalt und Sanierung vorsieht.

Das schützt dennoch nicht vor einem Abriss, wenn der Senat es will?
Kellner: Im Denkmalschutzgesetz steht, dass der Senat das letzte Wort hat und in der Abwägung unterschiedlicher Aspekte zu einer anderen Entscheidung kommen kann.

Das Gebäude gehört der Stadt, es gäbe keinen Kläger. Oder gibt es eine Verbandsklagemöglichkeit?
Kellner: Nein, die gibt es nicht. Aber sie gibt es für den Denkmalschutz in der Schweiz und wird auch in Fachkreisen bei uns diskutiert.

Fordern Sie eine Verbandsklage auch für Deutschland?
Kellner: Am Naturschutz kann man sehen, dass das zumindest für den staatlichen Denkmalschutz auch zweischneidig sein könnte, deswegen würde ich es nicht unbesehen fordern, auch wenn es gute Erfahrungen in der Schweiz gibt. Das Verbandsklagerecht hat nicht zu einer Prozessflut geführt, und einige Fälle werden dadurch breiter diskutiert.

Aber macht sich die Stadt nicht unglaubwürdig, wenn sie bei eigenen Gebäuden Denkmalschutz beiseitewischt?
Kellner: Das macht sie ja nicht. Im Gegenteil sehen wir bei dem City Hof, dass im Rahmen der derzeitigen Verkaufsausschreibung ausdrücklich auch die Option einer denkmalgerechten Sanierung durch private Investoren gesucht wird. Man muss aber auch die wirtschaftliche Herausforderung an die Investoren ernst nehmen. Solche Bauten zu erhalten ist oft keine leichte Aufgabe. Aber es geht, wie die Beispiele vom Unilever-Hochhaus oder dem alten Spiegel-Gebäude zeigen.

Denkmalschutz gibt es in Hamburg bereits seit 1920. Kaum zu glauben, wenn man an die Abrisse aus den 70er-Jahren wie beim wunderschönen Altonaer Bahnhof denkt.
Kellner: Bis in die 70er-Jahre hat man Gründerzeitgebäude gnadenlos abgerissen, weil man sie nicht als erhaltenswert empfand. Das hat sich inzwischen total gedreht. Das zeigt, dass mit dem Abstand die Wertschätzung zunimmt.