Gewerkschaften und Studenten fordern mehr Geld für Soziales, Kultur und Bildung

Hamburg. Mit roten Laternen gegen die Sparpolitik von Bund und Senat: Unter dem Motto „Bringen wir Licht ins Dunkel“ haben am Dienstagabend nach Schätzung der Polizei rund 500 Menschen in der Innenstadt für eine bessere finanzielle Ausstattung der Bereiche Soziales, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Gesundheit demonstriert – und gegen die Schuldenbremse.

„Wir sind die Alternative zur Alternativlosigkeit“, hieß es im gemeinsamen Protestaufruf der Gewerkschaften Ver.di und GEW, der Studierendenvertreter der Landes-ASten-Konferenz sowie dem Bündnis gegen Rotstift und der Globalisierungskritiker von Attac Hamburg. Der Protestzug marschierte bei novemberlich nasskaltem Wetter vom Jungfernstieg bis zum Uni-Campus und legte am Gänsemarkt einen Zwischenstopp für eine Kundgebung ein.

„Viele Menschen in Hamburg sind bei der Arbeit, ehrenamtlich und auch politisch für ein solidarisches Gemeinwesen aktiv. Damit Soziales, Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und weitere öffentliche Dienste für alle menschenwürdig ausgebaut werden können, müssen diese Bereiche endlich bedarfsgemäß staatlich finanziert werden“, so die Initiatoren des Protests. „Entgegen den Behauptungen von Politik und Wirtschaft hat Hamburg kein Schulden-, sondern ein Verteilungsproblem: Hier leben 42.000 Millionäre und elf Milliardäre – und gleichzeitig sind Armut, Erwerbslosigkeit, Wohnungsnot und Bildungsbarrieren ungelöste Probleme. Es ist also möglich und nötig, durch steuerliche Umverteilung von privatem Reichtum und Gewinnen in die öffentliche Hand die soziale und kulturelle Teilhabe aller Menschen zu ermöglichen und zu verbessern.“

Sieglinde Frieß, Ver.di-Bereichsleiterin für Bund, Länder und Gemeinden, sagte in ihrer Rede zum Auftakt der Demonstration am Jungfernstieg: Während in manchen Einkaufsmeilen „Pullover fast zum Preis von Kleinwagen verkauft werden“, sei in Hamburg jedes fünfte Kind arm. Es gebe 25 Prozent zu wenig Erzieherinnen und viel zu wenige Mitarbeiter bei den Allgemeinen Sozialen Diensten, um die Qualität zu erhalten. Bei Frauen und Kindern werde gekürzt, aber gleichzeitig lasse sich Hamburg eine Olympiabewerbung mal eben 50 Millionen Euro kosten und baue eine „superteure Elbphilharmonie, in der die Reichen und Schönen gute Musik hören können“, sagte Frieß. „Es kann nicht sein, dass für Banken, Glitzerprojekte und Vermögende genug Geld da ist und durch eine selbst ausgedachte Schuldenbremse für den Rest der Welt nichts übrig bleibt.“

Zwei Vertreter der Hamburger Erzieherinnen und Erzieher wiesen darauf hin, dass es in ihrem immer wichtiger werdenden Beruf bis heute keine staatlich finanzierte Ausbildungsvergütung gebe. Das Argument, es gebe dafür kein Geld, sei vorgeschoben, denn: „Statt eine Elbphilharmonie zu bauen, hätte man 26.250 Erzieherausbildungen finanzieren können.“ Es fehle insgesamt am politischen Willen für eine solidarische Gesellschaft und ein solidarisches Hamburg, konstatierten die Redner – bevor sich der Demozug schließlich Laternen schwenkend auf den Marsch zum Campus begab – lautstark begleitet von passendem Liedgut wie: „Light My Fire“, „Komm, lass uns Laterne laufen“ und „Money, Money, Money“. Auf der Höhe der Finanzbehörde machte der Zug noch einmal halt, um in Richtung des Backsteinbaus, in dem seit 2011 SPD-Finanzsenator Peter Tschentscher das Sagen hat, ihren Unmut kundzugeben. Das übernahm ein Vertreter der Studierenden, AStA-Sozialreferent Artur Brückmann. Dieser erklärte die Schuldenbremse zu einem politischen Instrument, das nur zu dem Ziel eingesetzt werde, die neoliberale Vorkrisenpolitik der Entsolidarisierung für die Zukunft zu retten. Das aber führe zu einem „sozialen und kulturellen Kahlschlag“, den auch die Hochschulen massiv zu spüren bekämen.

Vor allem die Studenten, die die kommenden Monate in einen heißen Herbst gegen die Wissenschaftspolitik des Senats verwandeln wollen, prägten den Protestzug. „Wir wollen eine demokratische, friedensorientierte und gesellschaftlich verantwortliche Hochschule erstreiten, dafür brauchen wir erheblich mehr finanzielle Mittel statt weniger“, sagte AStA-Sozialreferent Brückmann. Die Studierenden sähen sich im selben Boot wie die „Kolleginnen und Kollegen anderer öffentlicher Bereiche“ und wollten sich nicht „auseinanderdividieren“ lassen – schon gar nicht vor dem Hintergrund der laufenden Haushaltsberatungen und der anstehenden Bürgerschaftswahl.

Unterstützt wurde die Demonstration auch von den Fakultätsräten der Fakultäten Mathematik/Informatik/Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften. Der Präsident der Universität, Professor Dieter Lenzen, war zwar am Dienstag nicht mit auf der Straße. Aber am 9. Dezember wollen die Studenten erneut demonstrieren – zusammen mit vielen Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern.