Senator Rabe will Defizite ausgleichen. Mehr Mathe- und Gymnasiallehrer sollen Schüler unterrichten. Unterricht in Kernfächern wird verstärkt

Hamburg. Als der Lehramtsstudent Ties Rabe Ende der 80er-Jahre das zweite Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Deutsch, Religion und Geschichte bestanden hatte, wurde ihm wegen des hiesigen Überangebots an Bewerbern nur ein Job auf der einsamen Hochseeinsel Helgoland angeboten. Als Schulsenator Ties Rabe (SPD) am gestrigen Mittwoch Maßnahmen zur Verbesserung der Unterrichtsqualität an Stadtteilschulen vorstellte, konnte er den Gymnasiallehrern allgemein Hoffnung machen. Sie werden in Zukunft (noch) häufiger im Hamburger Schuldienst benötigt werden.

„Wir wollen eine umfassende Verbesserung gerade in Mathematik, aber auch in Deutsch und den Naturwissenschaften“, sagte der Senator. Hintergrund sind die zum Teil dramatischen Ergebnisse der Schülerleistungsstudie KESS 13 (KESS = Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern). Die Untersuchung des Abiturjahrgangs 2012 hatte ergeben, dass die Stadtteilschüler zum Teil erhebliche Defizite in den Mittelstufen der früheren Haupt-, Real- und Gesamtschulen aufgebaut hatten, die sie gegenüber den Gymnasiasten trotz guter Lernfortschritte in der Oberstufe nicht mehr wettmachen konnten.

„An der Mittelstufe der Stadtteilschulen werden zu viele Schüler abgehängt“, brachte Ties Rabe das Problem auf den Punkt. Auch wenn streng genommen nicht sicher sei, ob das unter den heutigen Bedingungen der Stadtteilschulen noch immer so sei, weil es ja keine Haupt-, Real- und Gesamtschulen alten Typs mehr gebe, sei das kein Grund, nichts zu tun.

Nach dem Vorschlag Rabes sollen die Stadtteilschüler in Zukunft jeweils mindestens vier Stunden Deutsch und Mathematik pro Woche in den Klassenstufen fünf bis zehn erhalten. Derzeit ist es noch möglich, in den ersten beiden Jahrgängen auch drei Unterrichtsstunden in den Kernfächern anzusetzen. „Wir werden Gespräche mit den Schulleitern führen, wie das umzusetzen ist“, sagte Rabe. Klar ist jedenfalls, dass den Schulen nicht mehr Stunden zugewiesen werden. Zusätzliche Deutsch- oder Mathestunden müssen an anderer Stelle des Stundenplans gestrichen werden.

Zweitens plant der Senator, den Anteil der Fachlehrer in Mathematik deutlich zu erhöhen. „Die frühere Erkenntnis, dass es keine Fachlehrer braucht, sondern nur den guten Pädagogen, ist falsch“, sagte Rabe. Der Senat hatte in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn zu Beginn des Jahres eingeräumt, dass 15,1 Prozent des Matheunterrichts in den Klassen fünf bis zehn der Stadtteilschulen nicht von ausgebildeten Mathelehrern gegeben werden.

Zu berücksichtigen ist bei den Durchschnittswerten, dass die Zahlen von Jahrgang zu Jahrgang schwanken, zwischen den einzelnen Schulstandorten sogar erheblich. Zum Vergleich: An den Gymnasien beträgt die Quote nur 3,4 Prozent. Ähnlich hoch wie in Mathematik ist der fachfremd erteilte Unterricht an Stadtteilschulen auch in Biologie (14,2 Prozent) und Physik (9,2 Prozent). An den Gymnasien liegt der Wert dagegen unter einem Prozent.

Drittens will der Schulsenator den Anteil der Gymnasiallehrer an den Stadtteilschulen deutlich erhöhen. Diese Pädagogen bringen den Blick für Schüler mit Abiturperspektive mit und haben gelernt, sie angemessen zu fördern. „Derzeit sind rund 40 Prozent der Lehrer an Stadtteilschulen Gymnasiallehrer“, sagte Rabe. Es gebe zwar Standorte, an denen der Anteil bei 60 Prozent liege. „Aber es gibt auch welche, an denen es nur 15 Prozent sind.“ Als Zielmarke gab Ties Rabe einen Gymnasiallehreranteil von 50 Prozent an allen Stadtteilschulen aus.

Rabe strich jedoch heraus, dass dies eine mittel- bis langfristige Umsteuerung im Wesentlichen über Neueinstellungen sein werde. „Wir sind in der guten Situation, dass die Zahl der jährlichen Pensionierungen recht hoch ist, sodass viele Neueinstellungen möglich sind“, so Rabe.

Die Mathematik-Offensive soll in der Aus- und Fortbildung unterstützt werden. Vorbild für Rabe ist Englisch, dessen Didaktik sich von Grund auf verändert habe. „Ich musste als Schüler vor allem Vokabeln lernen und Grammatik büffeln“, sagte der Senator. „Die Art, wie heute Englisch gelernt wird, etwa an Grundschulen, wo einfach drauflosgesprochen wird, hat sich als großer Erfolg herausgestellt.“ Er wolle mit Wissenschaftlern und Experten den Matheunterricht „auf Herz und Nieren prüfen“. Über die Einführung regelmäßiger hamburgweiter Lernstandserhebungen in dem Fach mit dem Ziel, Defizite schnell zu erkennen, soll diskutiert werden. Auch eine Intensivierung der Begabtenförderung sei denkbar.

CDU-Schulpolitikerin Karin Prien sprach von einem verschenkten Jahr, weil die KESS-13-Studie bereits 2013 veröffentlicht worden sei. „Schon jetzt ist klar, dass die angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen werden“, so Prien. Die Urteile von FDP-Politikerin Anna von Treuenfels („verspätet, verschwommen und altbekannt“), Dora Heyenn („ideenlos“) und der Grünen Stefanie von Berg („Fehler der Vergangenheit rächen sich“) fielen ähnlich aus.