ADAC-Chef Ingo Meyer will kein Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen, warnt vor einem Parkchaos und kritisiert die neue Abgabe bei P+R-Häusern

Hamburg. Mit fast einer Million Mitgliedern ist der ADAC Hansa das größte Sprachrohr der Autofahrerlobby in der Hansestadt. Im Abendblatt-Interviewübt der Vorsitzende Ingo Meyer scharfe Kritik an der Verkehrspolitik des Senats, an Tempolimits, P+R-Gebühren und fehlende Parkplätze.

Hamburger Abendblatt:

Es wird in Hamburg über Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen diskutiert. In Harburg gibt es bereits Pilotprojekte auf vier Straßen, zunächst nur von 22 Uhr bis 6 Uhr morgens. Eine sinnvolle Option für den ADAC?

Ingo Meyer:

Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen ist Schwachsinn. Denn die Bestrebungen aus den Bezirken sind ja, diese Regelung dann auch am Tag umzusetzen. Damit würde man ganz Hamburg ausbremsen. Besser kann man den Verkehr nicht zum erliegen bringen. Dann hätte man die Auszeichnung deutsche Stauhauptstadt sicher. Dass Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau überhaupt im Rahmen eines Lärmaktionsplans solch ein Pilotprojekt startet, zeigt, dass es ihr nur um die Drangsalierung der Autofahrer geht.

Die Stadt Hamburg hat die Pflicht abgeschafft, bei Wohnungsbauvorhaben Parkplätze zu errichten. Damit wurde auch die Stellplatzabgabe hinfällig, die Bauherren zahlen mussten, wenn Sie dieser Vorschrift nicht nachkamen. Eine gute Entscheidung?

Meyer:

Eine Katastrophe. Ich kann doch nicht den Wohnungsbau forcieren und bewusst Parkplätze vernichten.

Wie ist die Situation in Hamburg?

Meyer:

Der Parkdruck ist eh schon extrem hoch. Allein im Innenstadtbereich gibt es 40 Prozent Parksuchverkehr. In Stadtteilen wie Eppendorf oder Eimsbüttel herrscht schon jetzt Parkplatznot. Die wird noch viel dramatischer werden, denn die Zahl der Autos in der Hansestadt wird weiter ansteigen. Nur ein Beispiel: In 2008 waren es noch 817.691 Fahrzeuge, im vergangenen Jahr 850.335. Die Stadt steuert auf ein Chaos zu, dass sie sich selber zuzuschreiben hat. Senatorin Blankau sollte dringend nach Lösungen suchen, denn sie hat den Verzicht auf die Stellplatzabgabe zu verantworten.

Was haben Sie für eine Lösung?

Meyer:

In den besonders betroffenen Stadtteilen, benötigen wir neue Parkgaragen oder auch vollautomatische Parkhäuser, wie zum Beispiel in Dresden, in denen das Auto einfach im Übergaberaum geparkt und den Rest dann das Direktparksystem erledigt. Wenn die Stadt die fast 18 Millionen Euro, die allein seit 2008 durch die Stellplatzabgabe eingenommen wurden, in den Bau von Großparkgaragen investiert hätte, dann wäre die Lage viel entspannter. Aber das Geld wurde ja sehr breit gestreut.

Die Stadt gibt sich in letzter Zeit betont fahrradfreundlich und richtet zum Beispiel an der Alster Fahrradstraßen ein.

Meyer:

Auf denen dann trotzdem weiterhin die Autos fahren dürfen. Was der Senat in Sachen Radverkehr macht, ist oft purer Aktionismus. Das gilt auch dafür, dass ohne Not immer mehr Radwege auf die Straße verlegt werden. Da wird dann ein Streifen abgetrennt, der meist auch wegen fehlender Parkplätze noch zugeparkt wird. Die Radfahrer müssen dann mitten auf der Straße im Autoverkehr fahren. Das ist gefährlich.

Werden die Autofahrer zugunsten der Radfahrer benachteiligt?

Meyer:

Es kann und muss noch immer mehr für die Radfahrer getan werden. Aber wichtig ist, dass Autofahrer und Radfahrer nicht von der Stadt gegeneinander ausgespielt werden. Die Interessen beider Gruppen sollten gleichermaßen berücksichtigt werden.

Kein Geschenk ist, dass die Autofahrer auf den P+R-Plätzen seit Kurzem Gebühren zahlen müssen.

Meyer:

Das ist unsinnig und das völlig falsche Signal. Für die Pendler wie auch Tagestouristen bedeutet das auf einen Schlag eine Fahrkostenerhöhung von fast einem Drittel. Wollen wir so die Autofahrer animieren, auf die Bahn umzusteigen? Betriebswirtschaftlich ist es auch fragwürdig. Denn allein für die Verwaltungskosten gehen schon rund 70Prozent der Einnahmen drauf. Außerdem parken Autofahrer aufgrund der Gebühren jetzt die Nebenstraßen rund um die P+R-Anlagen zu. Die Dummen sind jetzt die Umlandgemeinden, die keine Gebühren erheben. Denn sie werden nun von den Flüchtlingen vor den P+R-Gebühren überrollt.

Die Stadt investiert in diesem Jahr rund 72 Millionen Euro in den Unterhalt der Straßen. Reicht das aus?

Meyer:

Ja. Wenn noch mehr investiert würde, dann würde es noch mehr Baustellen und damit ein Verkehrschaos geben. Aber wichtig ist, dass es kein Tropfen auf den heißen Stein ist. Es muss jetzt kontinuierlich in dieser Größenordnung für die nächsten Jahrzehnte Geld in die Straßen investiert werden. Denn der Unterhalt der Straßen wurde über Jahrzehnte vernachlässigt.

Wie ist der aktuelle Zustand der Straßen?

Meyer:

Die Hauptverkehrsstraßen werden fit gemacht. Aber in den Nebenstraßen, da findet man häufig noch echte Huckelpisten und Schlaglöcher. Hier hat die Stadt noch viel zu tun.

Welche Note bekommt der Senat für seine Verkehrspolitik?

Meyer:

Da muss man differenzieren. Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) würde eine zwei bekommen, weil er erkannt hat, dass in den Unterhalt von Hamburgs Straßen investiert werden muss. Seit 1983 wurde hier auf Verschleiß gefahren. Jetzt, nach nahezu drei Jahrzehnten, stehen erstmals wieder genügend Mittel zur Verfügung. Das ist schon fast eine historische Leistung. Doch bei der Baustellenkoordinierung hapert es noch gewaltig. Aber Senatorin Jutta Blankau erhält nur ein mangelhaft. Sie trägt die Verantwortung für den Wegfall der Stellplatzabgabe und bringt Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen voran.

Der ADAC musste im Januar einräumen, dass bei seinem Autopreis „Gelber Engel“ in der Kategorie „Lieblingsauto der Deutschen“ das Abstimmungsergebnis manipuliert wurde. Der Verein stand im Kreuzfeuer der Kritik. Wie bewerten Sie die Vorkommnisse?

Meyer:

Unsere Krisenkommunikation in den ersten Wochen nachdem die Manipulation bekannt wurde, war dümmlich. Die Mitglieder waren zu recht verärgert. Im ersten halben Jahr haben wir beim ADAC Hansa rund 5000 Austritte verzeichnet. Zum Glück wachsen wir seit Juli wieder. Im kommenden Jahr hoffen wir, dass unsere Mitgliederzahl die Eine-Million-Grenze knackt.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Krise?

Meyer:

Der ADAC muss neu strukturiert werden. Zur Zeit beschäftigen sich sieben Arbeitsgruppen mit sämtliche Tätigkeitsfeldern des Vereins und prüfen diese. Wichtig ist auch, dass die geschäftlichen Aktivitäten des ADAC transparenter werden. Das Ergebnis unserer Arbeit werden wir im Dezember den Mitgliedern vorstellen.