Bürgermeister Olaf Scholz verteidigt in Regierungserklärung zur Elbvertiefung den SPD-Senat und seine CDU-Vorgänger. „Verfahren ist hochkomplex“

Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat eindringlich vor dem Scheitern der geplanten Elbvertiefung gewarnt. „Dass Hamburg auch weiter an seiner Lebensader und mit ihr wachsen kann, ist unverzichtbar für die Zukunft unserer Stadt und ihrer Bürger“, sagte er in einer Regierungserklärung vor der Bürgerschaft. „Es geht um eine schicksalhafte Entscheidung für ganz Europa. Wenn die Fahrrinnenanpassung nicht stattfinden kann, hat das Folgen für die Wirtschaft Mittel- und Osteuropas, Deutschlands und natürlich für die hier im Norden und ganz besonders für den Hamburger Hafen.“

Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig hatte die in Hamburg heiß ersehnte Entscheidung über die von den Umweltverbänden BUND und Nabu angestrengte Klage gegen die Fahrrinnenanpassung in der vergangenen Woche vertagt. Bevor es selbst entscheidet, will das BVG zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Weservertiefung abwarten. Die Hamburger Wirtschaft zeigt sich angesichts der erneut vertagten Entscheidung entsetzt und befürchtet einen schweren Schaden für die Stadt. Vor diesem Hintergrund entschied Scholz sich für die Regierungserklärung. Dieses sehr selten angewandte Mittel erlaubt dem Senat, die Bürgerschaft unabhängig von ihrer Tagesordnung über wichtige Belange zu informieren.

Der CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich wirft Scholz „Hochmut“ vor

In seiner knapp 20-minütigen Rede betonte Scholz, dass sein Senat alles Notwendige für die Elbvertiefung getan habe. Er sei daher „enttäuscht“ über die erneute Verzögerung. Das Gericht habe aber, wie zuvor schon die EU-Kommission, die wirtschaftliche Notwendigkeit der Ausbaggerung ausdrücklich anerkannt. Auch habe es in den Planungsunterlagen, die Hamburg gemeinsam mit dem Bund erstellt habe – die Elbe ist offiziell eine Bundeswasserstraße – nur Mängel gefunden, die „behebbar“ seien, zitierte Scholz das BVG. Diese könnten „weder einzeln noch in ihrer Summe zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse“ führen.

Seine Kritiker versuchte Scholz zu „umarmen“, indem er überraschend feststellte, auch Kritik an Senatoren, Bürgermeistern und Bundesministern anderer Parteien, die einst Verantwortung für die Elbvertiefung trugen, „wäre unberechtigt“. Namentlich nannte Scholz unter anderem Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt (beide CSU) sowie Gunnar Uldall, Axel Gedaschko, Ole von Beust und Christoph Ahlhaus (alle CDU). Das Problem sei vielmehr das „hochkomplexe Verfahren“, bei dem es nun um die Abgrenzung gehe, von wo an das „Verschlechterungsverbot“ der EU für Gewässer greife, wann das „Verbesserungsgebot“ zu beachten sei und unter welchen Umständen Ausnahmen von diesen Vorgaben möglich sind. „Wer jetzt behauptet“, sagte Scholz in Richtung der Abgeordneten, „er habe das auf Anhieb verstanden, der ist der Parlamentarier des Tages.“

CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich warf Scholz „Hochmut“ vor. Er habe seinen vielen markigen Ankündigungen zur Elbvertiefung keine Taten folgen lassen. „Anspruch und Wirklichkeit in der Hafenpolitik klafften noch nie so weit auseinander wie beim derzeit regierenden Senat“, sagte der Oppositionsführer. Da helfe auch „keine Flucht in die Philosophie des Wassers“, sagte Wersich in Anspielung auf Scholz’ historische Exkurse über die Bedeutung von Wasseradern.

Die erneute Verzögerung der Elbvertiefung sei „ein Desaster für die Stadt“, sagte Wersich. Gleichzeitig warnte er aber davor, alles auf die eine Karte zu setzen. Außer dem Ausbaggern des Flusses bedürfe es diverser weiterer Maßnahmen. In dem Zusammenhang verwies der CDU-Bürgermeisterkandidat auf den Zehn-Punkte-Katalog seiner Partei, der unter anderem eine „schonungslose Analyse“ der Kapazitäten des Hafens und eine Kooperation mit anderen deutschen Häfen fordert.

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel konterte Wersichs Rede mit dem Hinweis, dass die SPD 2011 nach dem Regierungswechsel in Sachen Elbvertiefung trotz fast zehn Jahren Vorlaufs fast nichts vorgefunden habe. Erst seine Partei habe dann für eine Einigung mit den Obstbauern im Alten Land gesorgt, für die Zustimmung der Nachbarländer und der EU und letztlich für einen Planfeststellungsbeschluss. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, so Dressel, „das war ordentliches Regieren.“

Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan warf dem Senat hingegen „politisches Versagen“ vor. Der Hauptfehler sei weniger die „zweifellos“ mangelhafte Planung, sondern vielmehr die „jahrelange Ignoranz gegenüber Umweltbelangen“. Statt mit den Umweltverbänden über das Projekt und mögliche Ausgleichsmaßnahmen zu verhandeln, habe Scholz von Anfang an auf eine gerichtliche Klärung gesetzt. Nun sei er „der Zauberlehrling, der die Geister nicht mehr los wird, die er gerufen hat“. Kerstan verwies darauf, dass der Hafen auch ohne Elbvertiefung boome – und zwar vor allem wegen der „massenhaft“ einlaufenden Großfrachter, für die die Elbe eigentlich vertieft werden soll.

FDP-Fraktionschefin Katja Suding nannte den Bürgermeister „Scholzomat“. Er rede wie ein Verwalter der Stadt, „und in Sachen Elbvertiefung wie ein schlechter Verwalter“. Wie es zu den „schweren handwerklichen Mängeln“ in den Planunterlagen gekommen sei, habe Scholz nicht erklären können. Kritik kam auch von den Linken. „Was war das für eine Regierungserklärung? Olaf Scholz hat nicht gesagt, wie es weitergehen soll“, sagte Fraktionschefin Dora Heyenn. Der Hafen habe eine große Bedeutung für Arbeitsplätze, die hänge aber nicht von der Elbvertiefung ab. Der Umschlag habe auch so zugenommen.