Kritiker werfen Parteichef und Spitzenkandidat Jörn Kruse Manipulation vor. Der wehrt sich mit deutlichen Worten.

Hamburg. Einen Tag nachdem fast der halbe Landesvorstand der AfD in Hamburg zurückgetreten ist, hat sich die Tonlage in der Partei verschärft. Während die eine Seite davor warnt, die Aufstellung der Landesliste der Bürgerschaftskandidaten am Wochenende könnte wegen möglicher Manipulationen angefochten werden, wirft der Landesvorsitzende Jörn Kruse den Zurückgetretenen „persönliche Motive“ und „parteischädigendes Verhalten“ vor.

Am Dienstag hatten vier der neun Vorstandsmitglieder ihren Rücktritt bekannt gegeben. In einer Erklärung warfen Schatzmeister Erich Marquart, Pressesprecher Oliver Scholl, der Bundesdelegierte Günther Siegert und die stellvertretende Landessprecherin Barbara Krüger-Sauermann Kruse vor, „seine Position durch gezielte Platzierung bequemer Gefolgsleute zu untermauern“. Gleichzeitig habe er „in unzulässiger Weise in die Vorstellung der ihm weniger genehmen Kandidaten aktiv eingegriffen“. Zudem hätten frühere Schill-Politiker wie Dirk Nockemann zu viel Einfluss in der neuen Partei. Für Verwunderung bei manchen Mitgliedern hatte bei der Kandidatenaufstellung nicht nur gesorgt, dass die Parteiführung eine Liste ihrer Lieblingskandidaten lanciert hatte – sondern auch, dass Parteichef Kruse ihm missliebige Kandidaten hart persönlich attackierte. So ging Kruse Schatzmeister Marquart scharf an, der für Platz sechs antrat. Dafür wurde Kruse nach Aussage von Parteitagsteilnehmern vom Versammlungsleiter gerügt.

Marquart scheiterte bei der Wahl und nannte die Attacke später „nicht akzeptabel“. Am Mittwoch schaltete sich Statt-Partei-Gründer Markus Wegner in die Diskussion ein, der seit 2013 Mitglied der AfD ist. Wegner hatte in den 1990er-Jahren eine Wiederholung einer Bürgerschaftswahl erzwungen, indem er nachgewiesen hatte, dass die Kandidatenaufstellung innerhalb der CDU nicht demokratischen Grundsätzen entsprochen hatte. Der Angriff Kruses habe auf die Reputation des Kandidaten gezielt, sagte Wegner, der allerdings selbst nicht beim Parteitag zugegen gewesen ist. So habe er es aber von vielen Teilnehmern gehört. „Unfairer kann man jemanden vor einem Wahlgang kaum diskreditieren, zumal für Marquart keine Chance mehr bestand, sich dagegen zur Wehr setzen zu können, da seine Redezeit ja abgelaufen war.“ Mit den laut Grundgesetz in Parteien einzuhaltenden „demokratischen Grundsätzen“ werde zugleich der „Kernbestand“ der Wahlgrundsätze umfasst, so Wegner. „Zu Letzteren gehört auch eine ausreichende Vorstellungsmöglichkeit der Kandidaten. Aber selbstverständlich auch eine Verteidigungsmöglichkeit nach persönlichen Angriffen. Hier spielt die AfD mit dem Feuer der Anfechtung der Kandidatenliste, und ein Parteivorsitzender zündet das Streichholz dazu noch selbst an. Das ist schon erstaunlich.“

Kruse selbst sagte dem Abendblatt, er habe sich bei Marquart für die Form seiner Kritik entschuldigt. Inhaltlich bleibe er dabei. Marquart sei „arbeitsmäßig ein Ausfall“ gewesen. Zugleich wies er die Darstellung zurück, Marquart habe nicht auf die Kritik antworten können. Der Rücktritt der Vorstände sei „nicht politisch, sondern persönlich motiviert“, so Kruse, da die meisten von ihnen für die Landesliste kandidiert und sich nicht durchgesetzt hätten. „Dass sie zurücktreten, verstehe ich“, so Kruse. „Dass sie den Rücktritt mit falschen Vorwürfen verknüpfen, nehme ich persönlich übel. Das ist parteischädigend.“ Beim Parteitag am 8. und 9. November werde man Vorstände nachwählen.

Beim Landeswahlleiter beobachtet man die Kritik an der Kandidatenaufstellung. „Ein Wahlvorschlag für eine Landesliste wird nach Bürgerschaftswahlgesetz auf formale Mängel hin überprüft“, so Landeswahlleiter Willi Beiß. Lägen konkrete Anhaltspunkte für eine Nichteinhaltung vor, werde diesen nachgegangen. AfD-Bundessprecher Bernd Lucke sagte, aus seiner Sicht sei die Aufstellung rechtmäßig verlaufen. Für die Partei gebe es keinen Prüfungsbedarf. Zur Kritik an der Mitarbeit einstiger Schill-Politiker sagt er: „Wir haben kein Problem, mit Leuten umzugehen, die früher mit der CDU koaliert haben.“