Architekt Volkwin Marg kritisiert die Pläne der Stadt. Das Baudenkmal City-Hochhäuser werde auf der Jagd nach maximiertem Profit geopfert

Mitte. Der renommierte Hamburger Architekt Volkwin Marg hat den von der Finanzbehörde vorgeschlagenen Abriss der City-Hochhäuser als geschichtsvergessen und politischen Fehler kritisiert. „Wir opfern unsere kulturpolitische Verpflichtung, ein schützenswertes Baudenkmal zu erhalten, auf der Jagd nach maximiertem Profit“, sagte Marg in einem Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. Das gäbe Ärger.

Die City-Hochhäuser, in denen derzeit noch das Bezirksamt Mitte untergebracht ist, sollen einer Empfehlung der Finanzbehörde zufolge abgerissen werden. Der Verkauf eines leeren Grundstücks – Marg schätzt seinen Wert auf rund 30 Millionen Euro – würde der Stadt deutlich mehr Geld einbringen als der Erhalt und die Sanierung der Gebäude. Die in den 1950er-Jahren errichteten Häuser am Klosterwall stehen unter Denkmalschutz.

Als Folge eines maximierten Grundstückspreises werde ein Investor für einen Neubau entsprechend höhere Mieten verlangen müssen, sagte Marg. „Soziale Belange spielen dann kaum noch eine Rolle.“ Damit konterkariere die Finanzbehörde das Versprechen des Senats, auch in der Innenstadt bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. „Es kann nicht angehen, dass Wohnungsbau mit zumutbaren Mieten für normale Bürger nur in Randgebieten umgesetzt wird“, sagte der Architekt.

In der City Hamburgs gebe es zwar kleine Wohninseln, sagte Marg. „Wenn man aber will, dass die Stadt wirklich belebt wird, müssen dort mehr Menschen aus allen sozialen Schichten und nicht nur zahlungskräftige Wohlhabende hinziehen.“ Wenn es in der City einen Ort für sozialen Wohnungsbau gebe, dann in den City-Hochhäusern.

Der Architekt sieht in dem Plan, das stadteigene Grundstück an einen privaten Investor ohne angemessene kulturelle und soziale Verpflichtungen meistbietend zu verkaufen, eine Abkehr von dem Jahrhunderte alten, in Hamburg tief verwurzelten und von den Sozialdemokraten früher verfochtenen Prinzip des Erbbaurechts. „Das Erbbaurecht ist jetzt abgelaufen und das Grundstück samt dem, was darauf steht, fällt an die Stadt zurück.“ Das sei eine Chance für die Stadt, weil ihr ein Verkauf mit Auflagen die kulturell und sozial optimale Nutzungskombination des Grundstückes erlaube.

Marg plädiert dafür, die vier Hochhäuser zu erhalten und möglicherweise durch einen gläsernen Schallschutz zu einem Quartier zu verbinden. „Auf alle Fälle würde ich die ursprüngliche weiße Fassade wieder herstellen.“ Betriebswirtschaftlich wäre der Erhalt der Baukörper vorteilhaft. „Die Gebäude sind standsicher und in der Substanz verwendbar.“ Würden die große Tiefgarage und das Skelett der vier Hochhäuser für einen Umbau genutzt, „spart man zwischen einem Drittel und einem Viertel der Kosten“ eines Neubaus, weil Tiefgaragen und der wesentliche Rohbau schnell zur Verfügung stehen und eine langwierige Riesenbaustelle ersparen“.

Es sei durchaus möglich, in den Hochhäusern bis zu 400 preiswerte Kleinapartments, beispielsweise für Senioren und Studenten, zu schaffen, sagte Marg. Ein Teil des Komplexes könne auch durch ein Hotel genutzt werden. „Der gesamte Sockel wiederum eignet sich für Marktflächen und Einzelhandel. Auch die gewerblichen Mieten blieben bezahlbar.“

Der Architekt ist auch deshalb gegen einen Abriss der Hochhäuser, weil es darum gehe, die historisch gewachsene Identität Hamburgs zu bewahren. „Hamburg ist eine wertkonservative Stadt, – das sollte sie auch bleiben.“ Nach den Worten von Marg sind die City-Hochhäuser „Fanale der Moderne“. Sie seien bei ihrem Bau in den 50er-Jahren als „Zeichen für die Zukunft“ bejubelt worden. Der Grund habe darin gelegen, dass nach dem zweiten Weltkrieg Granit und Backstein als Bausteine „kontaminiert“ gewesen seien. Rote Backsteine waren von SS-Betrieben unter anderem im Konzentrationslager Neuengamme gebrannt worden.

Die vier City-Hochhäuser der 50er-Jahre, das zeigten alte Fotografien, hätten zunächst eine aus schneeweißen Keramikplatten bestehende Fassade gehabt, sagte Marg. In den 70er-Jahren habe man gemeint, die Gebäude besser dämmen zu müssen, und sie mit der hässlichen Nato-grauen Verkleidung verdorben.

Der Architekt wirft der Stadt als Eigentümer vor, sie selbst habe den Gebäudekomplex über Jahre hinweg vernachlässigt. Die Passage im Erdgeschoss der Gebäude habe sich in ein Slum verwandelt, obwohl die Gebäude vom Bezirksamt genutzt worden seien. „Das war Lieblosigkeit schlechthin, und das mitten in der Stadt“, sagte Marg. „Wenn ein Privatbesitzer sich so verhalten hätte, wäre man dagegen öffentlich zu Felde gezogen.“

Marg ist besonders darüber verärgert, dass ausgerechnet die Stadt sich aus Gründen bloßer Grundstückspreismaximierung einfach über den selbst erklärten Denkmalschutz hinwegsetzen will. „Man muss Baudenkmale nicht mögen, sie sind keine Geschmackssache“, sagte der Architekt. „Aber die City-Hochhäuser sind ein Denkmal für die Zeit, des frühen Wiederaufbaus nach der Kriegskatastrophe in einem neuen Geiste, unabhängig davon, ob sie als die größten Kunstwerke dieser Zeit angesehen werden.“ Die Gebäude seien „Geschichts-Schichten, die die Entwicklung einer Stadt sichtbar machen“.

Der Architekt führt die geschichtliche Rücksichtslosigkeit der Behörden auch auf die Schwäche des Denkmalschutzes in Hamburg zurück. Da säßen zwar kluge Leute; ihnen fehle es aber an politischer Durchsetzungskraft in einer Handelsstadt wie Hamburg. In der habe zu oft kaufmännischer Profit gezählt, weniger der kulturelle und soziale.

„Ein Baudenkmal zum Abriss freizugeben, ist zudem ein falsches Signal - auch an die privaten Hausbesitzer“, sagte Marg. Nur wenn es überhaupt kein gutes Nutzungs- oder Umbauangebot gibt, hält der renommierte Architekt einen Abriss für diskutabel. Allerdings dürfe nicht daran gerüttelt werden, dass die Stadt ein Vorbild für die Bürger sein muss. „Vor gut 100 Jahren hat Hamburgs berühmter Bürger ‚Lichtwark‘ über die Freie Hansestadt als ‚Freie und Abrissstadt‘ geklagt. Das sollte sich Hamburg nicht wieder antun.“