Wohin zieht es uns in Hamburg? Teil 6: Maike F. über ihre Lebensreise durch die Stadt. Altona verleiht der Verkäuferin die Sicherheit, dort angekommen zu sein, wo sie wirklich hingehört.

Altona. Auch eine scheinbar triste Hochhausgegend kann ihren Charme haben und nahezu unendliche Möglichkeiten bieten. Zumindest, wenn man ein Kind im Grundschulalter ist und reichlich Fantasie hat. So wie Maike F., die während ihrer ersten Lebensjahre im vierten Stock eines Hochhauses in Berne gewohnt hat. Aus dem elften Geschoss ließ sie zusammen mit einer Freundin Plastikfiguren am Fallschirm durchs Treppenhaus segeln. Die Tiefgarage war ihr Spielplatz. „Und im benachbarten Gebäude wurden in den Treppenfluchten Gesangsübungen gemacht, weil es so schön hallte“, erinnert sich die heute 38-Jährige.

Die Zeit des kindlichen Singens und Trällerns ist für die gebürtige Hamburgerin längst vorbei. Ihr Leben in einer geräumigen Dreizimmerwohnung in Altona verleiht der Verkäuferin die Sicherheit, dort angekommen zu sein, wo sie wirklich hingehört. In einer Gegend, die nicht weit von der Elbe entfernt ist, alternativ und multikulturell. Wo sie nette Nachbarn hat, eine tolerante und entspannte Gegend. „Hier kann ich so sein, wie ich bin“, sagt die junge Frau angesichts ihrer teilweise im Industriedesign eingerichteten vier Wände, der Wohnung mit Esstisch aus recyceltem Bootsholz und einer gemütlichen Couchgarnitur, den Zimmern „mit wenig Tütü und Chichi“, wie sie selber sagt. Doch bis zu diesem netten Zuhause war es ein Weg mit vielen Ortswechseln. 15-mal ist Maike F. umgezogen.

Die Erinnerungen an ihre frühe Kindheit in Berne sind noch wach. An die Dreieinhalbzimmerwohnung mit den extrem langgezogenen Räumen, die sie mit ihren Eltern und zwei älteren Geschwister bewohnte, an die stundenlange Spaziergänge im nahe gelegenen Park. „Den Geruch habe ich immer noch in der Nase“, erzählt die Tochter eines Schleswig-Holsteiners und einer Japanerin. Ihre Eltern hatten sich per Briefkontakt kennengelernt. Die Mutter aus dem Land des Lächelns sei „weniger Geisha gewesen“, sondern eher eine sachliche Frau. „Und Gehorsam war ihr wichtig, außerdem achtete sie sehr auf Pünktlichkeit. Da ging es um Minuten und Sekunden.“

Nach einer Grundschulzeit in Meiendorf wechselte das Mädchen auf eine Gesamtschule in Wellingsbüttel. In der siebten Klasse wurde sie von einer Tante eingeladen, zu ihr nach Paris zu ziehen. „Aber nach drei Monaten haben wir uns in die Wolle gekriegt, da bin ich wieder zurück nach Deutschland gegangen. Das war mein größter Fehler: zurückzukommen und dieses grandiose Paris zu verlassen.“ Ihre Eltern hatten mittlerweile die Wohnung verkauft, also zog Maike F. zu ihren Großeltern in eine Kleinstadt nach Schleswig-Holstein. „Das Haus hatte viele kleine Zimmer, es atmete Geschichte. Und mein Großvater war unglaublich belesen, das Haus wimmelte von Büchern. Lesen wurde deshalb für mich selbstverständlich.“

Doch nach 18 Monaten zog sie zurück nach Hamburg zu den Eltern, die inzwischen ein Haus in Meiendorf gebaut hatten. „Es war schneeweiß von innen, mit weißen Kacheln und weißem Teppich.“ In der Gegend hing sie mit Freunden ab, unter anderem im Volksdorfer Wald, durfte aber nicht in die Stadt. „Ich sollte immer nur lernen.“ Das aus Sicht der Jugendlichen beengte Leben war nur einer der Konflikte, der zwischen ihr und den Eltern entstand, der Streit spitzte sich zu, bis sie im Alter von knapp 17 auszog und in einer Jugendwohnung gemeinsam mit zwei jungen Männern in Bramfeld unterkam. „Da ist nix los, da fuhr nicht einmal eine Bahn hin“, erinnert sich Maike F. Mit der Volljährigkeit folgte der nächste Umzug, diesmal nach Hamm, wo sie in einer Anderthalbzimmerwohnung lebte, „mit verschimmelter Küche und Balkon. Das war keine gute Ecke.“ Trotzdem holte sie neben diversen Jobs nach ihrem Realschulabschluss ihr Fachabitur nach.

Im Alter von 24 zog sie mit ihrem damaligen Freund, einem Informatikstudenten, nach Diebsteich in eine Zweizimmererdgeschosswohnung in einem Gelbklinkerbau. „Die Wohnung wurde noch mit Kohleofen beheizt, das war schon schräg. Und mein Zimmer wurde nie richtig warm.“ Die Wohnung sollte saniert werden, sie bekamen eine andere Bleibe im zweiten Stock eines Rotklinker-Mehrfamilienhauses in Eimsbüttel, zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein Balkon. „Auf dem habe ich manchmal nachts gelegen und die Sterne betrachtet.“ Nach zwei Jahren folgte der nächste Ortswechsel, jetzt an die Detlev-Bremer-Straße nach St. Pauli, dem Stadtteil, wo sie als Verkäuferin arbeitet. „Nach der Trennung von meinem Freund bewohnte ich dort eine 30 Quadratmeter kleine Wohnung mit einem winzigen Balkon. Aus der Küche konnte ich die Uhr am Michel sehen.“ Doch dann begann der Bau des East Hotels, der schöne Blick war passé.

Mit ihrem neuen Freund zog sie in die Eimsbütteler Straße in eine Zweizimmerwohnung, bereits ein Jahr später in die Barnerstraße. Im Alter von 30 Jahren lernte Maike F. ihren Mann kennen. Mit ihm siedelte sie nach Altona um in eine Dachgeschosswohnung. „Das war ein Traum, ein Altbau mit Wohnküche, einem Bad mit Badewanne und Fenster. Und durch ein Dachfenster konnte man die Möwen sehen.“ Doch wegen einer relativ hohen Feinstaubbelastung in der Wohnung blieb das Paar dort nur zwei Jahre. Dann zog es weiter in die Billrothstraße, dort war es aber zu hellhörig.

Der nächste Wohnungswechsel stand an, diesmal nach Eppendorf. „Das war eine Anderthalbzimmerwohnung, alles sehr beengt. “ Auch dort blieben sie nicht lange, bis sie endlich ihre dauerhafte Bleibe fanden, in der Schnellstraße in Altona, drei Zimmer, Parkettboden, zwei kleine Bäder, ein großer Balkon. „Die Gegend ist sehr angenehm“, freut sich Maike F. über ihr jetziges Zuhause, das sie mit ihrem Mann und zwei Katzen seit mittlerweile vier Jahren bewohnt. „Die Nähe zur Elbe ist toll“, sagt die 38-Jährige.