Eine Glosse von Ralf Nehmzow

Sie haben sich vielleicht heute, bei den tropischen Temperaturen, auch geärgert, dass es in ihrem U-Bahn-Wagen zu voll und zu heiß war, die Klimaanlage nicht funktionierte? Da habe ich ein Beruhigungsmittel für Sie: Ich nehme Sie (gedanklich) mit in eine andere Welt. Na ja, zumindest in eine andere U-Bahn.

Ortstermin Shanghai. Morgens um kurz vor halb neun, in einer unterirdischen U-Bahn-Station der 25-Millionen-Metropole: Tausende von Pendlern und Touristen drängeln sich auf den Treppen und Rolltreppen. Dicht an dicht, nur im Schneckentempo geht es vorwärts. So viele Menschen auf einem Haufen habe ich niemals zuvor gesehen. Und heiß ist es auch, draußen sind knapp 35 Grad Celsius. Schlangestehen auf dem Bahnsteig, warten, bis der Zug kommt. Es beginnt der Überlebenskampf, der Nahkampf: Menschenmassen schieben sich aus dem Zug, ich schiebe mich hinein, oder besser gesagt, werde hineingeschoben. Mitschwimmen im Strom. Festhalten, wo es geht.

Dann folgt der absolute Kälteschock, die Klimaanlage ist offenbar bis zum Limit aufgedreht. Eisschrank-Temperaturen, auch nicht gerade angenehm, glauben Sie mir. Erst nach einer guten Stunde Fahrt wird es leerer, ein Sitzplatz wird endlich frei. Dann ist die Station erreicht.

Wieder raus in die brütende Hitze, wie gehabt. Ich denke an das Temperatur-Wechselbad und an die Menschentraube zurück, wenn ich dieser Tage wieder in Hamburg in der U-Bahn sitze. Hier war es heute jedenfalls überall gleich heiß – das mindert zumindest die Erkältungsgefahr deutlich ...