Ausweis erneuern, Wohnsitz ummelden: FDP kritisiert Service der Kundenzentren. Das Abendblatt testet, wie lange Bürger ohne Reservierung anstehen

Hamburg. Die Service-Offensive des SPD-Senats in den 20 Hamburger Kundenzentren ist nicht überall erfolgreich: Viele Bürger müssen mit wochenlangen Wartezeiten rechnen, bevor sie einen Termin im Bezirksamt bekommen. Im Kundenzentrum Harburg muss man sich momentan sogar mehr als sechs Wochen gedulden, um etwa einen Personalausweis beantragen zu können, sich umzumelden oder seinen Führerschein zu tauschen.

Es ist erst vier Monate her, dass der Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD) im Namen aller Bezirkschefs die neue Terminreservierung als Behördenbeschleunigung verkaufte. Mitte Februar kündigte er als Projektleiter an, dass es durch die Einführung exakter Termine, die im Internet oder telefonisch vereinbart werden können, künftig „so gut wie keine Wartezeiten“ mehr geben solle. Richtig ist, dass es bei einem gebuchten Termin meistens höchstens wenige Minuten dauert, bis ein Mitarbeiter Zeit hat. Dass man auf diesen Termin zum Teil jedoch mehrere Wochen warten muss – davon war damals bei der Einführung des Projekts nicht die Rede.

„Nach der Einführung der Terminreservierung ist die mangelhafte Servicequalität in vielen Kundenzentren eine Zumutung für die Bürger“, kritisiert der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Kurt Duwe. „Senat und SPD wären gut beraten gewesen, die Sparprogramme in den Bezirken nicht hinter dem Terminzwang in Kundenzentren zu verstecken. Stattdessen hätten sie die Vorschläge der Liberalen zur Verbesserung der Servicequalität aufgreifen sollen: ausreichende Personalversorgung für die Kundenzentren und Wiedereinführung der Wartezeitanzeige für Dienstleistungen im Internet“, sagt Kurt Duwe.

Im Extremfall, im Kundenzentrum Harburg, muss ein Kunde momentan durchschnittlich 31 Arbeitstage, also mehr als sechs Wochen, auf einen Termin warten. Das geht aus einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Politikers Kurt Duwe hervor. Das Bezirksamt begründet die Wartezeit mit einem hohen Krankenstand und zwei unbesetzten Stellen. Aber auch in anderen Kundenzentren sind die Wartezeiten lang – Süderelbe: fünf Wochen; Wilhelmsburg: vier Wochen; St. Pauli und Mitte: jeweils knapp vier Wochen. Selbst im günstigsten Fall, im Kundenzentrum Bergedorf, ist der früheste Termin erst in zwei Wochen zu haben.

Die enormen Wartezeiten auf Termine sieht die Stadt jedoch nicht als Grund, das Personal in den Kundenzentren aufzustocken. Die Begründung des Senats in einer Drucksache: „Weil die Bezirksämter eine effiziente Aufgabenwahrnehmung anstreben und Nachfragespitzen wie im privaten unternehmerischen Bereich durch organisatorische Maßnahmen bzw. Optimierung begegnet werden soll.“ Momentan arbeiten nach Angaben des Senats insgesamt 206Beschäftigte in den Kundenzentren, 14 Mitarbeiter sind dauerhaft erkrankt. Vor einem Jahr waren es noch 216,5 Mitarbeiter, 2012 sogar noch 230. Allein im Juni dieses Jahres haben sich 206 Mitarbeiter in den Ämtern um rund 30.600 reservierte Termine gekümmert. Dazu kamen die Kunden ohne Termin. Nach Angaben des Senats gab es im Mai 32.200 feste Termine und im April fast 34.500.

Eigentlich müssen alle Hamburger seit dem 17. März verpflichtend einen Termin verabreden, wenn sie etwas Amtliches erledigen wollen. Aber auch sogenannte Spontankunden werden in der Regel nicht vor die Tür geschickt. Das Abendblatt hat es getestet:

Kundenzentrum St. Pauli. Das Schild direkt am Eingang wirkt abschreckend. Wegen „Personalmangel durch Krankheit und Urlaub“ können an diesem Tag „nur Kunden mit Termin“ abgearbeitet werden, steht auf dem Flip-Chart vor dem Kundenzentrum. Die junge Frau, die keinen Termin hat, aber dringend einen neuen Personalausweis braucht, versucht trotzdem ihr Glück – und hat Erfolg. Trotz des Hinweises vor der Tür wird die Kundin überraschend freundlich im Amt an der Simon-von-Utrecht-Straße empfangen. „Kein Ding“, antwortet ihr der Mann hinterm Info-Tresen auf die Frage, ob ein Mitarbeiter ihr heute noch helfen könne. Zwar sei ohne Termin nur ein vorläufiger Ausweis möglich, aber der sei kein Problem.

Die Leute, die vorher einen Termin gemacht haben, müssen noch nicht einmal eine Minute warten, bevor sie aufgerufen werden. Aber auch die Spontankundin verlässt das Kundenzentrum nach gut zwei Stunden mit einem neuen vorläufigen Ausweis. Der Urlaub kann beginnen. Zeitgleich kann ein kurzentschlossener Bürger im Kundenzentrum Hamburg-Mitte an der Steinstraße nach nur einer Stunde Wartezeit einem Mitarbeiter sein Anliegen vortragen.

Noch am selben Tag möchte die junge Frau im Internet einen Termin im Amt auf St. Pauli für ihren richtigen Personalausweis buchen. Dafür muss sie jedoch mehr Geduld aufbringen: Der früheste Termin wird ihr vier Wochen später angeboten.

In Lokstedt warten Kunden ohne Termin bis zu drei Stunden lang

Geduld ist jedoch auch die Grundvoraussetzung für Bürger, die in Lokstedt ohne Termin das Kundenzentrum aufsuchen. Dort sitzt ein Antragsteller bis zu 173 Minuten lang, also fast drei Stunden, bevor ein Mitarbeiter sein Anliegen regelt. Laut Senat wartet man ohne Terminreservierung durchschnittlich 86 Minuten. Offenbar plant die Stadt aber, die Wartezeiten auf Termine und für Spontankunden zu verringern. „Ingesamt beabsichtigen wir hamburgweit, das Online-Termin-Management weiter zu bewerben, um es bekannter zu machen“, sagte Bettina Maak, Sprecherin des Bezirksamts Harburg. „Dies würde mittelfristig für geringere Wartezeiten und damit für eine größere Akzeptanz sorgen.“ Im Übrigen könnten Hamburger jedes der 20 Kundenzentren aufsuchen, egal, wo sie in der Hansestadt wohnen. Maak: „Es besteht keine Bindung an den jeweiligen Bezirk.“ Schlechte Erfahrungen mit einem spontanen Besuch im Amt haben Bürger im Kundenzentrum Walddörfer gemacht. Sie berichten, dass sie ohne Terminreservierung weggeschickt worden seien, obwohl nur wenige Wartende vor Ort gewesen seien. „Es ist zwar nicht zwingend erforderlich, einen Termin zu buchen, aber eine Terminbuchung wird empfohlen“, sagt Lena Voß, Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek, zu dem Vorfall. „Ohne Terminbuchung besteht das Risiko, dass der Kunde länger wartet oder an diesem Tag gar nicht mehr bedient werden kann.“ Im Kundenzentrum Walddörfer könne diese Situation wegen der großen Kundenanzahl in den Sommerferien häufiger eintreten. „Viele Hamburger möchten verreisen und bemerken, dass Ausweisdokumente abgelaufen sind“, sagt Voß. Das kleinste der fünf Wandsbeker Kundenzentren mit den wenigsten Mitarbeitern habe nur eingeschränkte Möglichkeiten, Kunden ohne Termin zu bedienen.

Ein anderer Kunde beklagt, dass er trotz reservierten Termins nur seinen Personalausweis, nicht aber seinen Reisepass habe erneuern dürfen. Bei der Terminbuchung hatte er nur den gewünschten Ausweisantrag, nicht aber den des Reisepasses angegeben.

„Hintergrund hierfür ist, dass die Terminzeiten für die einzelnen Dienstleistungen je nach Bearbeitungszeit unterschiedlich sind“, sagte Voß. „Wenn ein Termin für einen Personalausweis gebucht wurde, aber beim Besuch im Kundenzentrum zusätzlich ein Reisepass beantragt wird, verdoppelt sich die Bearbeitungszeit, sodass die nachfolgend gebuchten Termine nicht mehr termingerecht bedient werden können.“ Diese seien sehr eng getaktet.