Für 220.000 Euro wird das Fachwerkhaus in Volksdorf renoviert – mit Liebe zum Detail und Auge für das Besondere. Heute dient die Kate selbstständigen Kunsthandwerkern als Verkaufs- und Ausstellungsfläche.

Hamburg. In ihrer Freizeit klopfen sie Steine. Wie einst die Trümmerfrauen, die Vorboten des deutschen Wirtschaftswunders. Mit Hammer, Meißel, Lappen und Sandpapier stehen die Volksdorfer von der Kunst-Kate am langen Tisch im Hof und befreien die Ziegel von Mörtelresten. Ihr Motto: „Selbst ist der Künstler“. In ihrem Rücken stapeln sich die geretteten Exemplare schon zu drei schulterhohen Türmen mit quadratischen Grundflächen von 1,5 mal 1,5 Meter.

Vor ihnen steht die um 1860 erbaute Fachwerk-Kate mit geöffneten Wänden. Das Reet auf dem Dach ist verschwunden. Es hatte schon durchgeregnet. Eine blaue, sturmfest verzurrte Plane über dem Dachstuhl hält Wind und Wetter ab. Zusammen mit den Denkmalschützern saniert der Verein KulturKreis dieKate e.V das ehemalige Gesindehaus des Ferckschen Hofes an der Eulenkrugstraße. Das letzte seiner Art im Dorf. Hier wohnten einst drei Knechte mit ihren Familien. Es gab kleine Gärten vor der Tür, in denen sie zur Selbstversorgung Gemüse und Kleinvieh zogen.

Heute dient die Kate selbstständigen Kunsthandwerkern als Verkaufs- und Ausstellungsfläche. Unterm Dach gibt es Konzerte, Kurse und Seminare, im Nebengebäude residiert die Malschule. Der Betrieb läuft weiter. Die Bauarbeiten sind eher Attraktion als Behinderung. Im Hof sitzen die Zimmerleute mit Bauherrin Bärbel Krämer am Runden Tisch und machen Mittag. Es gibt Kirschen aus dem Garten der Brüder Frank und Jan Torp, Stullen, Kaffee und Süßes aus der Kristallschale von Bärbel Krämer. Die 67-Jährige erzählt vom Muskelkater nach den ersten Steineklopf-Tagen. Vom Verein als Familienersatz, dem Zusammenhalt, der gemeinsamen Aufgabe. „Wir sind etwa 22 Engagierte. Und wir haben auch ein paar Männer dabei.“

Bis Ende August soll das Reetdach neu gedeckt sein. Denn dann soll der Kunsthandwerkermarkt stattfinden. Aber der Dachdecker fordert für den Beginn seiner Arbeit zwei intakte Giebel. Der Weg dahin ist steinig. Weil das Fachwerk vielfach angefault und von Insekten angenagt worden ist, müssen die Ziegel in den Fächern raus. Dann werden die Balken getauscht. Erst zum Schluss werden die Gefache wieder vermauert. Alles ist Maßarbeit. Die in die Balken geschlagenen Nummerierungen zeigen, dass nicht jeder Anschluss überall passt, obwohl die Felder so gleichmäßig aussehen wie genormt. Aber jede Verbindung ist individuell hergestellt. Das kostet Zeit. Die Zimmerer Frank und Jan Torp vom „Zimmerleutekollektiv“ nehmen sie sich.

Die Szenerie erinnert an Werbespots für uralte und restlos entschleunigte amerikanische Whisky-Sorten. Meister Frank hat eine Zusatzausbildung gemacht, die ihn für die Arbeit an Denkmälern qualifiziert. Die Brüder arbeiten fernab des Akkords auf Baustellen mit Liebe zum Detail und Augen für das Besondere. Ohne geht es nicht, denn das Fachwerkhaus besteht eigentlich nur aus Besonderheiten. Die Torps schneiden die fauligen Balkenteile aus und passen neue Eichenbalken ein. Sechs bis acht Jahre abgelagert sind sie, damit sie nicht mehr schrumpfen. Die Anschlüsse verschränken sie und verarbeiten denkmalgerecht echte Holznägel. Jeder ein Einzelstück.

„Es macht Spaß“, sagt Frank Torp. „Das kann auch nicht jeder.“ Das Werkstück diktiert das Arbeitstempo, nicht das Management. Das „Es“, das Nicht-menschlich Dingliche, fordert seine Zeit, und hier dringt es noch durch mit seinen Ansprüchen. Die Handwerker fügen sich in die Notwendigkeit. Daraus ziehen sie die Ruhe, mit der sie dem Unvorhergesehen begegnen. Für Bärbel Krämer ist es „unfassbar“, dass alles zu klappen scheint. „Hier fließt kein großes Geld. Viele von uns sind alleinstehend.“ Mancher Handwerker hat schon, aus Respekt vor dem Engagement des Vereins, im Preis etwas nachgegeben. Ohne Aufforderung und nachdem schon alles ausgehandelt war.

220.000 Euro werden in die Kate investiert. Bis zu 75.000 Euro davon trägt das Denkmalschutzamt, den Rest muss der Verein aufbringen. „Es ist schon ein Schuss Abenteuer dabei“, sagt Bärbel Krämer. Stählerne Abstützungen halten die Decke und den Rähm-Balken über den Fenstern fest, wenn die Pfosten unten abgesägt werden. Die Feuchtigkeit kommt aus dem Boden über die Schwelle und zieht von da ins Hirnholz der Ständer. Oft müssen die unteren Teile ersetzt werden, weil das Hirnholz mehr Wasser zieht als die Seiten. Wer viel freilegt, sieht auch viel: An der Wetterseite ist auch die Schwelle großteils verfault. Kalkuliert sind drei Wände. „Wir wissen nicht, ob wir alles auf einmal machen können“, sagt Bärbel Krämer. Der erste Giebel steht, der zweite ist fast fertig, der Dachdecker war zufrieden bei der Begehung und will anfangen. Bärbel Krämer hatte Angst, er würde noch größere Schäden entdecken. Hat er aber nicht.

Die Fenster müssen aber ersetzt werden. Nach und nach, je nach Spendeneingängen. Zweiflügelige Doppelfenster sollen es werden. Aus Holz natürlich. Das Stück kostet rund 2100 Euro. Zwei sind eingebaut, 13 Fenster fehlen noch. Einfach verglast außen, damit sie schlank und elegant dimensioniert werden können wie im 19. Jahrhundert. Innen dann mit Wärme- und Schallschutz in der heute üblichen Dimensionierung. Mit allen angenehmen Nebeneffekten der Energieeffizienz.

Gerade der Künstler hat es gern schön.