Wer sich auf der Straße erleichtert, muss 75 Euro zahlen. Das Abendblatt hat zwei Polizisten begleitet.

St. Pauli. So hatten sie sich das „Festival der Liebe“ nicht vorgestellt, doch wenn rund 400.000 Menschen eine ausgelassene Schlagerparty auf St.Pauli feiern, ist es mit „Love and Peace“ nicht immer weit her. Dann stehen sie am Tresen der Davidwache, die Bestohlenen, Verletzten und Betrogenen – und klagen ihr Leid.

Diebstähle, Schlägereien und sogar Vergewaltigungen – an keinem anderen Tag des Jahres gehen im Polizeikommissariat 15 so viele Anzeigen ein, wie am Schlagermove-Wochenende. Für die Beamten ist es der wohl anstrengendste Tag des Jahres. „Da wirst du matschig in der Birne“, sagt einer von ihnen.

Wer rechtzeitig vorausschaut, nimmt sich besser Urlaub für den Tag. „Alles eine Frage der inneren Einstellung“, sagt dagegen Polizeioberkommissar Sönke Tissler, der gemeinsam mit Polizeiobermeister Frank Sorgatz auf Streife im kleinsten und zugleich wahrscheinlich besucherstärksten Revier der Bundesrepublik unterwegs ist.

Im Visier haben die beiden Beamten vor allem die unzähligen Wildpinkler, die zum Ärger der Anwohner nicht davor zurückschrecken, gegen Autotüren oder in Hausgänge zu urinieren. Rund 75 Euro sind für eine solche Ordnungswidrigkeit fällig. „Das ist doch scheiße“, schimpft ein junger Mann, der es noch nicht einmal geschafft hat, seinen Hosenstall zu schließen als die Polizisten seine Personalien aufnehmen.

Dabei steht das Dixiklo gerade mal fünf Meter entfernt. „Der Alkohol macht das Arbeiten für uns schwierig, das Gesagte findet meist kein Gehör mehr“, sagt Polizeioberkommissar Tissler. „Ein Zustand, der am Wochenende sonst erst nach Mitternacht eintritt.“ Beim Schlagermove sei das jedoch schon am frühen Nachmittag der Fall. Manch einer der Feierwütigen erlebe demnach nicht mal das Ende der Parade um 20 Uhr bei vollem Bewusstsein. Gefährlich ist der exzessive Alkoholgenuss vor allem für die jungen Besucherinnen. Immer wieder kommt es rund um den Schlagermove in abgelegenen Seitenstraßen oder auf Kneipentoiletten zu sexuellen Übergriffen. Ein Grund, weshalb die Beamten auf Streife immer ein wachsames Auge auf stark alkoholisierte junge Frauen haben.

Zeit für eine Pause bleibt da nicht. Auf den Eisbecher im Café gegenüber müssen die Beamten heute verzichten. Das Funkgerät brummt unaufhörlich. Häufig geht es mit dem Streifenwagen schon nach wenigen Metern nicht mehr weiter, da hilft auch kein Blaulicht.

Zu Fuß geht es dann durch die Menge. Doch wer bei der Schlagerparade in Uniform auf der Reeperbahn unterwegs ist, muss sich viel gefallen lassen. „Das ist ja ein tolles Kostüm“, johlen sie und versuchen den Polizisten bunte Blumenkränze um den Hals zu hängen oder sie vergebens für ein gemeinsames Foto zu gewinnen. „Die erste Zeit nimmt man das noch locker, aber nach ein paar Stunden, kannst du manche Sprüche einfach nicht mehr hören“, sagt Polizeiobermeister Frank Sorgatz. „Aber wie heißt es so schön: Ein bisschen Spaß muss sein.“