Jugendliche sollen bei Aufklärungskampagne selbst mitwirken. Forscher warnen seit Jahren vor Verharmlosung

Hamburg. Die Plakate, mit denen Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) Jugendliche vom Cannabis-Konsum abhalten will, zeigen Jugendliche, die herumhängen und einen überdimensionierten Joint rauchen. Hinter ihnen steht ihr eigener Schatten, gewissermaßen ihr besseres Ich, und fragt: „Wollten wir nicht eigentlich zum Training?“, „...uns mit den Jungs treffen?“, „...beim Wettbewerb mitmachen?“ Der Wettbewerb – das ist der Kern der Kampagne „Bleib stark! Bleib du selbst!“ Zwölf Wochen haben Jugendliche Zeit, um sich ernsthaft, kritisch und möglichst geistreich mit dem Thema auseinanderzusetzen und eigene Beiträge – Videoclips, Plakate und Texte – im Internet unter www.bleib-stark.com hochzuladen.

Die Beiträge werden von Besuchern der Website bewertet, eine Fachjury kürt am Ende die Gewinner. Senatorin Prüfer-Storcks ist es wichtig, dass die Kampagne Jugendliche einbezieht, damit sie glaubwürdig ist. „Wir haben diese Form der Auseinandersetzung gewählt, weil wir glauben, dass dies mehr bringt, als wenn die Gesundheitssenatorin mit erhobenem Zeigefinger warnt“, sagte Prüfer-Storcks bei der Vorstellung der Kampagne am Dienstag. Zu gewinnen gibt es bei dem Wettbewerb Klassenreisen, Digitalkameras und Tablet-Computer.

Zur Kampagne gehören außerdem Informationsmaterial für Eltern und Fachkräfte, ein Info-Stand auf dem Rathausmarkt, Postkarten und ein Filmspot, der kostenlos von Hamburger Kinos gezeigt wird. Auch in ihm kommen Jugendliche zu Wort und setzen sich mit den Risiken des Kiffens auseinander. Und die sind nach Überzeugung von Fachleuten nicht zu unterschätzen: Gerade bei Kindern und Jugendlichen kann Cannabis zu Entwicklungsverzögerungen führen, Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistungen einschränken, schulische, berufliche und familiäre Probleme nach sich ziehen und sogar psychische Erkrankungen auslösen. „Die Gesundheitsschäden können durchaus verheerend sein“, sagte Prüfer-Storcks. „Das wollen wir nicht tatenlos hinnehmen und deshalb Verharmlosungstendenzen entgegenwirken.“ Sie selbst, sagte die Senatorin auf Nachfrage, habe nie gekifft. Und lehne eine Legalisierung der Droge auch weiterhin ab.

Die jüngste „Schulbus“-Studie („Schüler- und Lehrerbefragung zum Umgang mit Suchtmitteln“) hatte vor einem Jahr gezeigt, dass der Cannabis-Konsum unter Hamburgs Jugendlichen steigt. So ist der Anteil der 13- bis 17-Jährigen, die schon mal einen Joint geraucht haben, von 23 Prozent im Jahr 2007 auf 29,3 Prozent gestiegen. Auf die Frage, ob sie in den vergangenen 30 Tagen Haschisch konsumiert hatten, antworteten 17 Prozent der Jugendlichen mit Ja. 2007 waren es noch neun Prozent gewesen. In ländlichen Regionen spielt Cannabis der Studie zufolge eine geringere Rolle als in der Hansestadt; mit Alkohol verhält es sich umgekehrt. Während in Hamburg 25 Prozent der Kids regelmäßig Alkohol trinken, sind es auf dem Land 35 Prozent.

Zum Verbot von E-Shishas hat Prüfer-Storcks noch keine Meinung

Dafür hatten im ländlichen Bereich lediglich vier bis acht in den vorangegangenen 30 Tagen gekifft. Immer stärker verbreiten sich unter Hamburgs Jugendlichen auch E-Shishas, ein elektronisches Rauchgerät, das mit Aromastoffen und oft auch Nikotin versetzten Dampf erzeugt. Zum Vorstoß von Bundesfamilienministern Manuela Schwesig (SPD), die die Abgabe von E-Zigaretten an Jugendliche verbieten will, hat sich Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks allerdings noch keine Meinung gebildet.

Aus ihrer Sicht kommt es darauf an, was geraucht werde. „Wir sollten uns sehr sorgfältig ansehen, ob man sich mit den Instrumenten befasst oder nicht eher mit den Inhaltsstoffen.“ Gegner befürchten, dass die Röhrchen mit dem süßlichen Elektrodampf junge Leute erst dazu verleiten, mit dem Rauchen anzufangen. Die CDU warf dem Senat vor, erst „mit erheblicher Verzögerung“ auf die Entwicklung reagiert zu haben. „Wir brauchen eine Null-Toleranz-Strategie gegen jede Form von Kifferromantik. Der Gehalt des zentralen Wirkstoffs THC ist heute um ein Vielfaches höher als noch vor einigen Jahren. Regelmäßiger Konsum kann Realitätsverlust, Entpersonalisierung und paranoide Angststörungen auslösen“, sagte die CDU-Gesundheitsexpertin Birgit Stöver. Nachdem der Senat vor knapp zwei Jahren den Einrichtungen der Suchtforschung und der Suchtselbsthilfe Zuschüsse in Höhe von 489.000 Euro gestrichen habe, seien 100.000 Euro für die Kampagne „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Suchtforscher Professor Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE: „Besonders Jugendliche rauchen immer häufiger und früher Cannabis-Produkte.“ Aber: „Cannabis ist aus dem Fokus der Suchtprävention geraten.“ Das soll sich nun ändern.