Laut Anklageschrift ein Mord „ohne jedes Mitgefühl“. Yagmurs Vater unternahm nichts

Hamburg. Ein halbes Jahr nach dem gewaltsamen Tod der kleinen Yagmur („Yaya“) Y. hat der Prozess gegen die Eltern der Dreieinhalbjährigen begonnen. Mit gesenktem Blick verfolgten die Mutter Melek Y., 27, und ihr Mann Hüseyin Y., 25, die Anklageverlesung. Danach hat Melek Y. ihre Tochter seit Anfang August 2013 immer wieder geschlagen, gekniffen und geschüttelt. Die Angriffe hätten sich ab Dezember gesteigert, „aus Hass auf ihre Tochter und ohne jedes Mitgefühl“, wie Oberstaatsanwalt Abel im Gerichtssaal sagte. Am 18. Dezember starb das Mädchen schließlich an der Vielzahl seiner Verletzungen – insgesamt 83 seien festgestellt worden. Yagmur verblutete innerlich. Die Anklage lautet auf Mord.

Dem Vater wirft die Staatsanwaltschaft vor, nichts gegen die Angriffe seiner Frau unternommen zu haben und sich so an dem Tod des Mädchens mitschuldig gemacht zu haben. Dabei sei er bei den Misshandlungen anwesend gewesen. Er habe gewusst, dass seine Frau für die Verletzungen verantwortlich gewesen sei. Er habe davon abgesehen, die Polizei, das Jugendamt oder gar Freunde und Verwandte um Hilfe zu bitten oder zu informieren. Letztere hatten laut Staatsanwaltschaft sogar angeboten, Yagmur bei sich aufzunehmen.

Hüseyin Y. ließ über seinen Anwalt ausrichten, dass er sich nicht äußern werde. Seine Frau wolle ebenfalls „zunächst keine Einlassungen“ machen, wie ihre Verteidigerin sagte. Ob das so bleibe, mache sie jedoch vom „Verlauf der Verhandlung abhängig“.

Die angeklagten Eltern saßen im Gerichtssaal nebeneinander, nur durch ihre Anwälte getrennt. Zuerst hatte Hüseyin Y. in einem gestreiften Hemd den Saal betreten. Er wirkte nervös, winkte vor der Verhandlung Freunden im Zuschauerraum zu. Als seine Frau, die sich wie er seit dem Tod des Mädchens in Untersuchungshaft befindet, den Saal betrat, schirmte ein Justizvollzugsbeamter die beiden voneinander ab. Beide waren bemüht, keinen Blickkontakt aufzunehmen. Melek Y. schien angespannt und müde zugleich zu sein. Um die Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Beide schauten während der Anklageverlesung nahezu regungslos vor sich auf den Boden.

Die Ermittlungen hatten im Frühjahr eine überraschende Wendung erfahren. Zunächst war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass Hüseyin Y. der Hauptverdächtige sei und nicht seine Frau. Aus der Anklageschrift, die dem Abendblatt vorliegt, geht hervor, dass Melek Y. ihre Aussagen in den Befragungen jeweils den Ergebnissen der Ermittlungen angepasst habe. Zeugenaussagen und – ganz entscheidend – Nachrichten über das Chat-Programm WhatsApp hätten die Ermittler davon überzeugt, dass die Mutter das kleine Mädchen misshandelt habe. So ist etwa eine Nachricht vom 9. Dezember 2013 vermerkt mit dem Absender Melek Y.: „Und ich habe meine Wut gegen Yagmur gezeigt“. Aus den Protokollen werde für die Staatsanwaltschaft klar, dass die Mutter nicht nur Aggressionen gegen Yagmur hatte, sondern sie auch tatsächlich angriff. Den Verletzungen habe sie gleichgültig gegenübergestanden. Die 27-Jährige sei bei den Taten gefühllos vorgegangen.