Seit 50 Jahren gibt es die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen. Die Zuwanderung hat das religiöse Leben in Hamburg bereichert

Hafencity. Die Anhänger der „Jesus People“ sitzen bei ihren Gottesdiensten gemütlich auf den Sofas und beten zu Gott. Viele Vorschriften gibt es in der Vineyard-Gemeinde Bergedorf nicht, dafür immer eine Tasse Kaffee.

Die koptischen Christen aus Ägypten feiern derweil in der Schröderstiftstraße ihre Eucharistie. Triangeln und Zimbeln erklingen. Die Heilige Schrift wird in arabischer Sprache rezitiert.

Und die russisch-orthodoxen Christen versammeln sich auf St. Pauli zur „göttlichen Liturgie“. Dort, wo sich einst die evangelische Gnadenkirche befand und heute eine prächtige Ikonenwand steht, singt der Chor in der Kirche des heiligen Johannes von Kronstadt: „Wir haben das wahre Licht geschaut.“

Das Spektrum reicht von afrikanischen Gemeinden bis zu den Mennoniten

Wer in Hamburg eine christliche Kirche besuchen will, hat die Qual der Wahl. Denn in der Hansestadt leben nicht nur 185.774 Katholiken und 521.715 evangelisch-lutherische Christen. Es gibt inzwischen ein großes Spektrum weiterer Denominationen – von afrikanischen Gemeinden, syrischen Orthodoxen bis zu den Mennoniten.

„Halleluja“ jubeln die jungen Christen aus Ghana in ihren Wandsbeker und Billstedter Gebetsräumen, während im feinen Blankenese oder Othmarschen betagte Nordkirchen-Mitglieder den fulminanten Orgelklängen lauschen. Alle diese Kirchen und Gemeinden sind in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) organisiert. Der ökumenische Dachverband mit seinen insgesamt 33 Mitgliedskirchen repräsentiert schätzungsweise 750.000 bis 800.000 Hamburger Christen.

An diesem Mittwoch feiert die Organisation ihr 50-jähriges Bestehen mit einem internationalen Gottesdienst in der Rathauskirche St. Petri (Beginn: 19 Uhr). „Die ACK-Kirchen sind ein Geschenk des Heiligen Geistes“, freut sich Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. „Sie haben Frieden unter den Christen gestiftet.“ Und Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs sagt: „Die Vielzahl der Konfessionen spiegelt die Vielfalt unserer Heimatstadt Hamburg.“ Die Kirchen setzten sich gemeinsam für das „Wohl der Stadt“ ein.

Vor allem die Zuwanderung aus Afrika und Osteuropa hat die religiöse Szene in der Weltstadt belebt. Fast die Hälfte der rund 90 religiösen Gemeinschaften in der Hansestadt ist christlich; die anderen muslimisch, alevitisch oder buddhistisch geprägt. Martina Severin-Kaiser, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, sitzt in ihrem Büro in der HafenCity und serviert grünen Tee. „Das ist orientalische Gastfreundschaft“, sagt sie mit Blick auf ihren Gast am Tisch. Es ist Pater Bolikarbos El-Moharaky von der koptisch-orthodoxen Kirche, einer der ältesten der Welt. Der Priestermönch stammt aus der Nähe von Kairo und lebt seit neun Jahren in der Hansestadt. Rund 85 Familien gehören zu seiner Gemeinde. „Ich bin dankbar für das gute Miteinander in der ACK“, sagt der koptische Pater. Und Martina Severin-Kaiser fügt hinzu: „In der Migration stellt sich die Frage der Integration für viele Zuwanderer neu. Sie wollen ihren Glauben auch in Hamburg leben.“ Die Arbeitsgemeinschaft helfe dabei – nicht zuletzt bei der Suche nach geeigneten Gottesdiensträumen.

Während die Volkskirchen schrumpfen, pulsiert das Leben in Hamburgs afrikanischen Gemeinden. Von den rund 18.000 Ghanaern gehören fast alle einer evangelischen oder der katholischen Kirche an. „Die afrikanischen Gottesdienste“, sagt Bernadette Kuckhoff, Ökumenebeauftragte des Erzbistums, „überzeugen mit der großen Lebensfreude. Hier spricht das Herz des Glaubens.“ Pastor Prince Ossai Okeke, ein Deutscher nigerianischer Herkunft, lobt das konfessionelle Miteinander. „Unser Ziel ist es, Brücken zwischen den Kulturen und Religionsgemeinschaften zu bauen. Die ACK war dabei stets unser Rückenwind.“ In Bergedorf hat sogar die Christian Church Outreach Mission (CCOM) ihren internationalen Hauptsitz. Die charismatisch und stark von religiösen Erfahrungen geprägte Bewegung entstand 1982 in der Hansestadt und verbreitete sich von hier aus bis nach Ghana.

Bei einer anderen Kirche – den Mennoniten – führen die geschichtlichen Spuren ebenfalls nach Norddeutschland. Der Gründer und Namensgeber dieser Friedenskirche, Menno Simons, starb 1561 in Wüstenfeld bei Bad Oldesloe. Noch heute erinnert die Mennokate an den Protagonisten der Täuferbewegung. Die Mennoniten lehnen Kindertaufe und Militärdienst ab.

Am 21. Juni spielt die 6. Herren des FC St. Pauli gegen afrikanische Pastoren

Helmut Greve, Ehrenbürger und einer der bekanntesten Mäzene Hamburgs, ist Mitglied der Mennonitengemeinde zu Hamburg und Altona. Neben theologischen Gesprächen beziehen die 33 Mitgliedskirchen öffentlich auch politisch Position, wenn etwa die Religionsfreiheit auf dem Spiel steht. Weihbischof Hans-Jochen Jaschke drängt auf deutliche Worte, wenn es um das Elend von Flüchtlingen geht. „Wir müssen von Europa fordern, dass es sich nicht einmauert und abschottet“, sagt er. Selbst beim Sport zeigen die Christen gemeinsam Flagge. „Wir organisieren ein Fest zur Fußball-WM“, sagt Pastor Ossai. Beim Spiel Deutschland gegen Ghana am 21. Juni treten im Afrikanischen Zentrum Borgfelde die Kicker vom FC St. Pauli 6 und afrikanische Pastoren zum Match an. Dann gibt’s Gospel und Public Viewing. Aber erst mal wird an diesem Mittwochabend in St. Petri das Jubiläum gefeiert – mit Bläsern, Trommeln, internationalen Chören.