Neue Zahlen des Senats zeigen: In sozial benachteiligten Vierteln wechseln sogar 58 Prozent auf die Stadtteilschule. „Abschulungen sind sozial selektiv und ungerecht“, sagt Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn.

Hamburg. Das Gymnasium ist in Hamburg die beliebteste Schulform. Zum kommenden Schuljahr wechseln 51,7 Prozent der Viertklässler auf ein Gymnasium. Viele Eltern schicken ihr Kind auch gegen die ausdrückliche Empfehlung der Grundschullehrer auf diese Schulen und hoffen, dass es dort zurechtkommt. Doch das ist oftmals nicht der Fall – und zwar noch häufiger als bisher bekannt, wie die Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft jetzt zeigt: Fast jeder vierte Schüler muss das Gymnasium im Laufe seiner Schulzeit wieder verlassen und auf eine Stadtteilschule wechseln.

Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn kennt die Vielzahl der „Abschulungen“ aus ihrer eigenen Praxis als Lehrerin. Grund genug für sie, beim Senat nachzuhaken. Das Ergebnis: Von den 6423 Schülern, die ein durchschnittlicher Jahrgang an Hamburgs staatlichen Gymnasien im laufenden Schuljahr umfasst, verlassen zwischen der fünften und zehnten Klasse 1474 Mädchen und Jungen diese Schulform wieder in Richtung Stadtteilschule – das sind 23 Prozent. 918 der Schüler werden bereits in den ersten beiden Jahren abgeschult. 556 Jugendliche aber gehen erst in den höheren Klassen – wenn Abschulungen und Klassenwiederholungen seit der Novelle des Schulgesetzes eigentlich nur noch in begründeten Einzelfällen vorgesehen sind. Von einzelnen Ausnahmen könne man da nicht mehr reden, sagt Dora Heyenn.

Brisant: In sozial benachteiligten Stadtteilen müssen besonders viele Mädchen und Jungen das Gymnasium wieder verlassen. Während an den Schulen in bevorzugten Wohngegenden mit dem höchsten Index der Kess-Sozialstudie nur zehn Prozent der Kinder abgeschult wurden, mussten sich in Wohngebieten mit niedrigem Sozialindex 58 Prozent der Kinder vom Gymnasium verabschieden. „Abschulungen sind sozial selektiv und ungerecht“, beklagt Heyenn. In der Bildungsbehörde sieht man die Ursache hingegen eher in den Bildungsambitionen von Eltern in sozial belasteten Stadtteilen, die ihre Kinder offenbar auch in großer Zahl ohne Empfehlung aufs Gymnasium schickten, weil Bildung für sie Mittel zum sozialen Aufstieg sei.

Aus Sicht von Heyenn zeigen die vielen Abschulungen, dass die im Gesetz geforderte individuelle Förderung noch in den Anfängen stecke. Denn eigentlich sollen die Gymnasien in der fünften und sechsten Klasse kritisch prüfen, ob die Schüler den Leistungsanforderungen gerecht werden, dann aber diejenigen, die sie behalten, so fördern, dass sie es mindestens bis zur zehnten Klasse schaffen. Das geschehe zu wenig, kritisiert Heyenn und fordert mehr Förderung der Schüler in ihren Problemfächern. Zugleich aber müssten Eltern sich genau überlegen, ob sie ihr Kind gegen die Empfehlung der Lehrer aufs Gymnasium schicken. Das rät auch die Schulbehörde eindringlich.