Im Gegensatz zu 2009 lassen die Sozialdemokraten die CDU hinter sich. Deren Kandidat Heintze bangt um EU-Mandat.

Hamburg. Spannender hätte der Sonntagabend kaum verlaufen können – jedenfalls für Roland Heintze. Als der Spitzenkandidat der Hamburger CDU für die Europawahl um 19.30 Uhr von einer Wahlparty ins Rathaus gehetzt kam, um Interviews zu geben, konnte er noch überhaupt nicht einschätzen, ob er es nach Straßburg geschafft hat. „Fragen Sie mich heute Nacht um zwei Uhr noch mal“, lautete seine Standardantwort auf entsprechende Fragen.

Klar und deutlich war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon, dass die Hamburger Ergebnisse der Europawahl mal wieder stark von denen auf Bundesebene abweichen. So ist im Gegensatz zum Bund, wo CDU/CSU klar vorn lagen, in der Hansestadt die SPD mit Abstand stärkste Kraft geworden: Mit 33,8Prozent verbesserte sie sich gegenüber 2009 (25,4) um 8,4 Prozentpunkte. Herbe Verluste musste hingegen die CDU hinnehmen: Mit 24,5Prozent unterbot sie ihr schon schwaches Ergebnis von 2009 (29,7) noch einmal um mehr als fünf Punkte. Einziger Trost für Heintzes Partei: Die Zahlen entsprechen zumindest im Trend denen in ganz Deutschland, wo die Union verloren und die SPD stark gewonnen hat.

Die Grünen schnitten mit 17,2 Prozent zwar etwas schwächer ab als noch vor fünf Jahren (20,5), lagen aber weit über dem Bundesergebnis der Partei. Die Linkspartei hat sich hingegen von 6,7 auf 8,6 Prozent verbessert und ist damit ebenfalls stärker als die Gesamtpartei. Das gilt zwar auch für die Hamburger FDP, aber mit 3,7 Prozent hat sie in Hamburg nur ein Drittel der Stimmen von 2009 (11,1) retten können. Auch die Piratenpartei hatte sich sicher mehr erhofft als die 2,2 Prozent, die sie an der Elbe holte.

Als Gewinner der Wahl durfte sich neben den Sozialdemokraten vor allem die Alternative für Deutschland (AfD) fühlen, die aus dem Stand auf 6,0 Prozent kam. „Innerhalb eines Jahres von null auf sechs Prozent, das ist klasse“, sagte der Landesvorsitzende Jörn Kruse, der gegen 19Uhr als erster Politiker im Rathaus eintraf. Begleitet wurde er von Dirk Nockemann, Ex-Innensenator der Schill-Partei und nun bei der AfD aktiv. Dass er selbst es nicht ins Europaparlament geschafft hat, habe ihn angesichts des Listenplatzes 20 weder überrascht noch enttäuscht, so Kruse, der bereits ein neues Ziel ausgab: „Ich will 2015 in die Bürgerschaft.“ Allerdings sei ihm klar, dass das in einer traditionell sozialdemokratisch geprägten Stadt wie Hamburg nicht einfach werde – zumal das Kernthema der AfD, die Ablehnung des Euro, bei der Bürgerschaftswahl kaum eine Rolle spielen dürfte.

Bis in die Nacht und damit bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe, war unklar, welche Abgeordneten Hamburg künftig auf EU-Ebene vertreten. Sicher war nur, dass Knut Fleckenstein (SPD) und Jan Philipp Albrecht (Grüne) wieder dabei sind. Auch die Linkspartei, bislang mit Sabine Wils vertreten, hat mit Fabio De Masi wieder ein Mandat errungen. Während die CDU, die seit 2009 von Birgit Schnieber-Jastram vertreten wurde, noch lange zittern musste, ob Roland Heintze ihr nachfolgen darf, war für die FDP schnell klar, dass sie auch künftig keinen EU-Abgeordneten stellen wird. Die Liberalen errangen bundesweit nur drei Mandate, der Hamburger Kandidat Najib Karim war auf Platz elf der Liste daher chancenlos. Die norddeutschen Interessen muss für die FDP auch weiterhin Gesine Meißner aus Niedersachsen allein vertreten.

Eine Zitterpartie bis in die Nacht erlebte auch Wolf Achim Wiegand. Der Hamburger Landesvorsitzende der Freien Wähler kandidierte auf Platz zwei der Bundesliste der Partei und hatte wegen des Wegfalls der Dreiprozenthürde realistische Chancen, ins EU-Parlament einzuziehen. Noch um 21Uhr konnte der 60 Jahre alte Journalist und Berater, der den spannenden Abend im Kreise der Familie in Rissen verbrachte, aber nur feststellen: „Es ist eine Hängepartie, mal haben wir auf Bundesebene 1,7 Prozent, und ich bin drin, mal haben wir nur 1,5, und ich bin wieder draußen. Das ist echt nervenaufreibend.“ Stammland der Freien Wähler ist Bayern, wo sie auch im Landtag sitzen. In Hamburg lagen sie am Sonntag hingegen nur bei 0,3 Prozent.

Erstmals fanden in Hamburg die Wahlen zu den Bezirksversammlungen parallel zur Europawahl statt. Mit der Entkoppelung von der Bürgerschaftswahl sollte den Bezirkswahlen mehr Gewicht verliehen werden. Außerdem war die Hoffnung, dass damit die Beteiligung an der Europawahl steigen würde. Zumindest letztere Hoffnung hat sich erfüllt: Waren 2009 nur 34,7 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg an die Europa-Urnen gegangen, nahmen dieses Mal 43,4 Prozent teil.