Eltern in Niendorf sind empört. Begründung des Trägers: bauliche Mängel. Neubaupläne waren gescheitert

Niendorf. In die Fassungslosigkeit mischt sich Wut. Es ist kurz nach 8Uhr morgens. Vor der Verheißungskirche hat sich ein gutes Dutzend Mütter und Väter versammelt, um Kinder in die Kita zu bringen. So wie jeden Tag. Aber die Eingangstür ist an diesem Dienstagmorgen fest verrammelt. Keine 24 Stunden ist es her, dass die Eltern erfahren haben, dass die Einrichtung auf dem Gelände der Niendorfer Gemeinde schließt. „Das war wie ein Blitz aus heiterem Himmel“, sagt Elana van Wyk. Morgens sei alles noch ganz normal gewesen, erzählt die Mutter der vierjährigen Helena. „Beim Abholen haben wir plötzlich einen Brief in die Hand gedrückt bekommen, dass der Kita-Betrieb in den bisherigen Räumen eingestellt wird.“ Und zwar ab sofort.

Der Aufruhr ist groß. Innerhalb nur eines Vormittags hatte der Träger, das Kita-Werk Niendorf-Norderstedt, das Aus für den kleinen Kirchenkindergarten verfügt. Der Grund seien „bauliche Mängel“, schreibt der Geschäftsführer Uwe Büth an die Eltern. Diese seien bei einer Begehung mit Fachleuten für Arbeitssicherheit am Montagvormittag zutage getreten. Auch die Erzieherinnen wurden von der Entscheidung, die während des Urlaubs der Leiterin fiel, überrascht. „Christlich ist das nicht“, sagt eine Mitarbeiterin. In aller Eile mussten sie Spielsachen, Regenjacken und Hausschuhe zusammenpacken. Fürs Erste werden die 38 Kinder zwischen zwei und sechs Jahren in provisorisch eingerichteten Räumen im Gemeindehaus nebenan betreut. Ende Juli soll endgültig Schluss sein.

„Für uns ist das eine Katastrophe“, sagt Elternvertreterin Cinnamoun Sanne. Die meisten Eltern hätten sich ganz bewusst für die familiäre Einrichtung entschieden und seien sehr zufrieden. Auch die Kinder fühlen sich wohl. Als ihre Zwillingsmädchen Marisa und Isabell an diesem Morgen plötzlich nicht mehr in ihren Gruppenraum durften, flossen Tränen. „Für sie ist es fast wie ein zweites Zuhause“, sagt die 41 Jahre alte Niendorferin.

Erst Ende vergangenen Jahres hatte die Kita ein Gütesiegel für vorbildliche Arbeit bekommen, mit dem sie sich stolz auf ihrer Internetseite präsentiert. „Die Art und Weise, wie das jetzt läuft, ist der Hohn“, sagt Vater Jens Triebel. Schon in der nächsten Woche sollen die Kinder, die bislang in zwei Gruppen betreut werden, auf zwei andere Kitas der evangelischen Kirchengemeinde in Niendorf verteilt werden.

„Es war notwendig, dass wir die Kinder aus den Räumen herausnehmen“, verteidigt die Sprecherin des Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein, Monika Rulfs, das Vorgehen. Der Geschäftsführer des Kita-Werks wollte sich auf Anfrage des Abendblatts nicht äußern. Nach Angaben der Sprecherin hatte ein unabhängiger Elektroingenieur festgestellt, dass die teilweise über Putz verlegten Stromleitungen so sanierungsbedürftig sind, dass es zu gefährlich für die Kita-Kinder seien. „Wenn etwas passieren würde, wäre es noch schlimmer“, sagt Rulfs. Die Eltern vermuten allerdings etwas anderes hinter der plötzlichen Schließung. „Das ist ein Vorwand“, sagt Antje Helms, die schon die zweite Tochter in der Kita Verheißungskirche hat. Andere sprechen von einem abgekarteten Spiel. „Die Kirche will die Kita und uns schnell loswerden“, sagt Jochen Schmitz. Anders könne er sich die plötzliche Entscheidung nicht erklären.

Seit Längerem schon währt die Debatte um die Frage, wie es an dem Standort weitergehen kann. Die derzeitigen Räumlichkeiten erfüllen laut Träger die zeitgemäßen Standards nicht mehr, sind zudem zu klein, um wirtschaftlich zu arbeiten. Von einem Minus von mehreren Zehntausend Euro im Jahr ist die Rede. Derzeit sind sechs Plätze nicht belegt. Einen Neubau, vor allem für Krippenkinder, hat der Kirchgemeinderat wegen des Kostenrisikos Anfang Mai aber mit großer Mehrheit abgelehnt. Begründung: Die Konkurrenz sei zu sehr gewachsen. „Ich kann verstehen, dass die Eltern aufgebracht sind“, sagt Pastorin Anke Zorn, die für die Kinderarbeit in der Niendorfer Gemeinde zuständig ist. Sie sei auch sehr enttäuscht, dass die Kita nicht gehalten werden könne. „Aber es ist eine demokratische Entscheidung, die zu akzeptieren ist.“

Die Eltern wollen das nicht hinnehmen. Sie fordern, dass die Kita so hergerichtet wird, dass die Kinder erst einmal in ihren angestammten Räumen bleiben können. Und weiter von den Erzieherinnen betreut werden. „Es muss so abgesichert werden, dass der Betrieb in Ruhe auslaufen kann“, sagt Elternvertreterin Sanne. Mindestens ein Jahr Zeit müsse den Familien gegeben werden, damit die Kinder gut untergebracht werden könnten. „Es geht ja auch um Vertrauen“, sagt sie. Und das ist bei vielen Eltern verloren.

„Der Werbeslogan klingt so vielversprechend. Evangelische Kindertagesstätten – mit Gott groß werden“, sagt Mutter Gabi Mätzold bitter. „Aber nun vor die Tür gesetzt zu werden ohne eine Perspektive, das ist doch eher die Hölle.“ Am Dienstagabend hatte das Kita-Werk zu einem Elternabend eingeladen, der bei Redaktionsschluss noch andauerte.