Eine Hamburger Studie zeigt: Jeder Fünfte sucht mit Bagatell-Beschwerden eine Ambulanz auf. Kliniken fordern mehr Geld, um den Ansturm zu bewältigen. Einer der Gründe für die Zunahme: das Internet.

Hamburg. Immer mehr Hamburger gehen bei gesundheitlichen Beschwerden nicht mehr zum Hausarzt, sondern gleich in eine der 22 Notaufnahmen der Hamburger Kliniken. „Wir haben seit Jahren eine deutliche Zunahme“, sagt Michael Wünning, Chef des Zentrums für Notfall- und Akutmedizin im Marienkrankenhaus und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Hamburger Notfall-Chefärzte. Die Folge sind lange Wartezeiten, eine Überlastung des Personals und steigende Kosten.

Allein im UKE ist die Zahl der Notfall-Patienten von rund 50.000 im Jahr 2009 auf jetzt 70.000 angewachsen. Im selben Zeitraum stieg in den Zentralen Notaufnahmen (ZNA) der Hamburger Asklepios Kliniken die Quote um knapp 30 Prozent. 2013 wurden fast 230.000 Notfall-Patienten behandelt. Im Schnitt kommt alle zwei bis drei Minuten ein Notfall-Patient in eine der Notaufnahmen der sieben großen Hamburger Asklepios Kliniken – zu Fuß, mit dem Auto oder Taxi, mit dem Rettungswagen oder sogar per Helikopter.

Nach einer Statistik der Gesundheitsbehörde gibt es zurzeit rund 400.000 Notfall-Patienten jährlich, die Hamburgische Krankenhausgesellschaft rechnet sogar mit 570.000 Notfall-Patienten im Jahr. 153.400 Patienten davon werden mit Rettungswagen in die Krankenhäuser gebracht. Vor vier Jahren lag diese Zahl noch bei 140.000.

Die Ursachen für den Patientenansturm auf die Notfall-Aufnahmen sind vielfältig: Mangel an Hausärzten, lange Wartezeiten bei Fachärzten und die Unsicherheit von Patienten, die sich über das Internet über mögliche Krankheitsbilder informiert haben und Angst bekommen, an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden. „Niemand mag sechs Wochen auf einen Termin warten, wenn er im Internet liest, er könnte auch einen Tumor haben“, sagt Notfall-Arzt Wünning und äußert Verständnis für solche Patienten. Ähnlich sieht es die Gesundheitsbehörde: „Gründe für das Aufsuchen der Notaufnahme liegen auch darin, dass Menschen nicht auf einen Facharzttermin warten möchten, sondern im Krankenhaus direkt auf eine umfassende Behandlung hoffen.“

Allerdings wartet da gelegentlich ein breites medizinisches Arsenal auf recht simple Fälle. „Schnupfen, Husten ,Heiserkeit – auch damit kommen Patienten“, sagt Wünning. Asklepios-Sprecher Mathias Eberenz sprich ebenfalls von „sehr vielen Bagatell-Fällen“.

Für Hamburg hat die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) das Phänomen jetzt anhand einer Stichprobe von 5000 Patientendaten untersucht.Ergebnis: Jeder Fünfte hätte gar nicht in eine Notfallaufnahme gehört. Etwa weil auch normale Arztpraxen geöffnet hatten und die Erkrankung eher lapidar war.

Die Akutmediziner fordern jetzt von der Bundesregierung ein neues Finanzierungsmodell mit eigenen Notfall-Pauschalen. Bisher bekommen die Kliniken von den Krankenkassen pro Patient in der Notfall-Versorgung im Schnitt 33 Euro. Die tatsächlichen Durchschnittskosten aber liegen laut DGINA bei 129 Euro. Bisher, so die Mediziner, könne der Standard nur durch die Subventionierung anderer Abteilungen gehalten werden.