Schwerpunkte auch online einsehbar. Abgeordneter kritisiert: Senator will Notenschnitt schönen. Behörde widerspricht

Hamburg. Premiere an den Schulen in Hamburg und Schleswig-Holstein: Bei den Abiturprüfungen können die Schüler aus dem Norden erstmals gemeinsam mit Abiturienten aus Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern teilweise identische Aufgaben lösen – der erste Schritt auf dem Weg zu einem bundesweit vergleichbaren Abitur.

Beim Deutsch-Abitur, das die Hamburger Schüler am gestrigen Dienstag schreiben mussten, ging es allerdings um die praktisch identischen Themen wie im Vorjahr. Das kritisiert der parteilose Bürgerschaftsabgeordnete Walter Scheuerl, zugleich Sprecher des Elternbündnisses „Wir wollen lernen“. Die Themenschwerpunkte finden sich zudem seit Langem recht detailliert als Handreichung der Behörde frei zugänglich im Internet.

So stellt eines der vier Themengebiete, aus denen die Abiturienten auswählen können, Goethes „Leiden des jungen Werther“ in den Mittelpunkt und fragt unter anderem nach der Wirkungsgeschichte des Buches und seiner Einordnung in den Kontext des Sturm und Drang sowie der Biografie Goethes. Genannt sind auch die Methoden zur Texterschließung, etwa die Rolle der Frauenfigur im Roman.

Ein zweites Thema beschäftigt sich mit Exilgedichten im Spannungsfeld von Widerstand und Emigration – mit genauer Angabe der acht Gedichte. Auch sie standen bis auf eines schon 2013 auf dem Programm. „Durch die erleichterte Vorbereitung mittels eines Rückgriffs auf das Material aus 2013 ist in jedem Fall mit besseren Ergebnissen im Abiturjahrgang 2014 zu rechnen“, sagt Scheuerl und wirft Schulsenator Ties Rabe (SPD) vor, auf diese Weise die Abiturstatistik im Jahr vor der Bürgerschaftswahl schönen zu wollen.

Rabes Sprecher Peter Albrecht widerspricht. Zwar seien die Themenschwerpunkte in etwa dieselben wie im Vorjahr, nicht aber die konkreten Fragestellungen. „Die Themen sind so breit gefasst, dass sich die Schüler nicht erschließen können, welche Aufgaben gestellt werden“, sagt er. Einige andere Bundesländer wie etwa Baden-Württemberg handhabten dies genauso. Der Vorteil sei, dass die Schulen die Unterrichtseinheiten zur Vorbereitung des Abiturs mehrere Jahre nutzen könnten, was die Qualität verbessere und die Lehrer entlaste. Die Bekanntgabe von Schwerpunktthemen ermögliche es den Abiturienten, bei der Prüfung analytisch stärker in die Tiefe zu gehen.

Scheuerl dagegen glaubt, dass Themen und Herangehensweise in der Handreichung so genau durchdekliniert werden, dass im Abitur kaum noch jemand durchfallen könne.

Von den vier Fragestellungen ist zunächst nur eine von den sechs Ländern gemeinsam erarbeitet worden. 2015 will Brandenburg im Fach Deutsch mitziehen, 2016 folgt Bremen. Die übrigen Länder sollen sich 2017 anschließen.