Der Äthiopier Shumi Dechasa gewinnt den Haspa-Marathon in Hamburg. Rund 700.000 Zuschauer an der Strecke jubeln den 19.300 Teilnehmern zu. Die Läufer zeigen sich begeistert von der Stimmung.

St. Pauli. Bevor Shumi Dechasa, 24, im Ziel am Fernsehturm Auskunft über den „bisher besten Lauf meines Lebens“ geben wollte, verlangte er eine Decke. Ein bisschen kalt sei es ihm auf der Strecke schon gewesen, windig vor allem, „doch jetzt bin ich unglaublich glücklich“. In 2:06:43 Stunden hatte der Äthiopier am Sonntag den Haspa-Marathon gewonnen, seine persönliche Bestzeit dabei um 29 Sekunden verbessert und 20.000 Euro Siegprämie kassiert. Es war sein erster Erfolg in seinem fünften Rennen über die 42,195 Kilometer. Vor zwei Jahren war er bei seinem ersten Auftritt in Hamburg in 2:07:56 Stunden Vierter geworden.

Mit Temperaturen um neun Grad Celsius gegen 12 Uhr mittags war der 29. Hamburg-Marathon einer der kältesten in seiner Geschichte. Nur 1988 zeigten die Thermometer mit 7,1 noch weniger Grade an. Die Sonne ließ sich entgegen der Ankündigungen der Metereologen nur an einigen Stellen und an denen auch nur sporadisch blicken. Die Masse der 19.300 Teilnehmer – inklusive der 6000 Staffelstarter – störte das nicht.

„Zum Laufen waren das ideale Bedingungen“, meinte Ergo-Betriebssportler Michael Ehrke, 55, der nach 4:18 Stunden lächelnd ins Ziel kam. Die meisten Zuschauer dagegen fröstelte es. Etwa 700.000 Schaulustige sollen es nach Polizeiangaben bis zum frühen Nachmittag wieder an Elbe, Alster, in der City Nord, am Klosterstern und rund um den Zielbereich am Fernsehturm gewesen sein. Sie feuerten die Läufer trotz der Kühle gewohnt enthusiastisch an. „Auf den letzten Kilometern, wenn die Beine nicht mehr ganz so wie der Kopf wollen, war das wieder mal sehr hilfreich“, sagte Ehrke.

„Hamburg ist eine echte Partystrecke“, lobte auch Katharina Heinig, 24, die schnellste Deutsche, das Publikum – wie Yuki Kawauchi, 27, der unermüdliche und am Ende stark erschöpfte Japaner: „Danke für die Unterstützung. Solch eine Begeisterung wie hier habe ich noch nirgendwo erlebt.“ Kawauchi, der sich ohne Trainer auf seine vielen Starts vorbereitet, gilt als schnellster Amateur der Welt. In 2:09:36 Stunden wurde er Neunter und kam damit zum siebten Mal in seiner Laufbahn unter 2:10 Stunden ins Ziel. Allein im vergangenen Jahr hatte er das bei elf Starts viermal geschafft. „Das ist eine phänomenale Leistung“, sagte Hamburgs Marathonchef Frank Thaleiser. Um sie einzuordnen, muss man wissen, dass die besten Marathonläufer der Welt pro Jahr maximal drei Rennen bestreiten und höchstens zwölf in ihrer gesamten Langstrecken-Karriere.

Dechasa bedankte sich später, als er sich in den Räumen der Messe aufgewärmt hatte, ebenfalls bei den Zuschauern: „In Hamburg herrscht einfach eine fantastische Atmosphäre. Und das Rennen war mit unseren Tempomachern perfekt organisiert. Es macht großen Spaß, hier zu laufen.“ Das kann man verstehen, war der junge Mann aus dem Großraum von Addis Abeba, verheiratet, „noch keine Kinder, aber die sind demnächst geplant“, doch zuletzt im Februar in Dubai gestartet.

Eine noch bessere Endzeit, sagte der niederländische Athletenmanager Jos Hermens, hätte Dechasa wohl vergeben, weil er zu früh das Tempo anzog. „Er war schon vor zwei Jahren in Hamburg zu ungeduldig. Damals attackierte er bereits bei Kilometer 28, diesmal bei Kilometer 32. Da fehlten ihm hinten raus wahrscheinlich wieder ein paar Körner.“ 2015 würde Dechasa daher gern erneut nach Hamburg kommen – „wenn man mich denn will“. Er könne sich noch steigern, sagte er.

Geld für ihn sollte im nächsten Jahr vorhanden sein – wie für andere Spitzenläufer. Schließlich konnten die Veranstalter die ausgelobten Zeitprämien von 20.000 Euro bei Männern (unter 2:06:30 Stunden) und Frauen (unter 2:24:30) sparen, obwohl Dechasa die drittschnellste Siegerzeit seit 1986 lief. Die Kenianerin Georgina Rono, 34, freute sich dennoch über ihren Erfolg in 2:26:48 Stunden, obwohl sie fünf Minuten über ihrer Bestzeit blieb: „Der Sieg zählt! Die Zeit ist dann zweitrangig.“

Marathonchef Thaleiser blickt optimistisch auf den 30. Marathon am 26.April 2015 voraus: „Die Entwicklung ist in allen Bereichen positiv. 2015 wollen wir wieder versuchen, den Streckenrekord zu unterbieten.“ Der steht seit 2013 bei 2:05:30 Stunden. Da war es auch ein paar Grad wärmer.