Demonstration am Tag der Arbeit

Polizei setzt Wasserwerfer ein – Steine und Flaschen fliegen

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Polizei stoppte den Demo-Zug zwei Mal und verkürzte die Route. Demo nach Wasserwerfer-Einsatz beendet. Protestierer warfen Gegenstände und zündeten Böller sowie Bengalische Feuer. Es kam zu Festnahmen. Lampedusa-Unterstützer demonstrierten in ehemaliger Schule.

Hamburg. Mit Plakaten, Graffiti und einem „Mobvideo“ im Internet hatte ein linksautonomes Bündnis unter dem Motto „Hamburg sieht rot“ zur Demonstration am 1. Mai aufgerufen. Der Demo-Zug startete mit einer etwa halbstündigen Verspätung um 18.35 Uhr am U-Bahnhof Feldstraße. Die Demonstranten legten zuvor ein großes Banner mit der Aufschrift “Gegen jeden Antisemitismus – Arbeiterklasse unterstützt Israel“ vor dem Bunker am Heiligengeistfeld aus.

Um 18.57 Uhr kam es zum ersten Zwischenfall, als einige der 2200 Teilnehmer in der Budapester Straße Bengalisches Feuer zündeten. Am Millerntorplatz explodierten viele Böller sowie weitere Bengalische Feuer, Gegenstände flogen auf die begleitenden Polizisten. Die Polizei setzte daraufhin ihre Helme auf und stoppte den Demo-Zug mit der Aufforderung, das Werfen von Gegenständen zu unterlassen. „Lassen Sie die Steine liegen, sonst setzen wir Wasserwerfer ein. Vermummen Sie sich nicht, das ist eine Straftat. Es ist ja nicht kalt. Das ist die letzte Warnung“, verkündete die Polizei um 19.17 Uhr durch ihre Megaphone.

Die Demonstranten wollten infolgedessen geschlossen gegen die Blockade der Polizei vorgehen. Die Polizei, die mit mehr als fünf Hundertschaften im Einsatz war, war kurz davor, Wasserwerfer einzusetzen. Um 19.27 Uhr entspannte sich die Lage wieder und die Demonstration konnte fortgesetzt werden. Allerdings mit verkürzter Route. Der Demo-Zug setzte sich über die Glacischaussee – anstelle der Reeperbahn – zurück zum U-Bahnhof Feldstraße fort. Das sei mit den Veranstaltern so abgesprochen, teilte die Polizei mit.

Polizei nimmt einzelne Demonstranten fest


Daraufhin stand der Demo-Zug zunächst wieder und einige Steine flogen auf Polizisten. „Wir spielen jetzt erst mal Musik und versorgen unsere Verletzten“, verkündeten die Demonstranten mit etwas Ironie über ihre Megaphone. Die Polizei nahm einige mutmaßliche Flaschen- und Böllerwerfer fest.

Um 19.48 Uhr setzte die Polizei kurzzeitig Wasserwerfer ein. Nach der Unterbrechung konnte die Demonstration fortgesetzt werden. Als der Demo-Zug wieder am U-Bahnhof Feldstraße ankam, versuchte die Polizei, die Demonstration vorzeitig zu beenden, da es keine offizielle Route mehr gab. Einige Demonstranten gingen daraufhin nach Hause, der Rest setzte den Protestmarsch Richtung Schanzenviertel fort.

Dort beendeten die Veranstalter die Demonstration vor der Roten Flora am Schulterblatt, nachdem die Polizei gegen 20.25 Uhr am Neuen Pferdemarkt/ Ecke Neuer Kamp verstärkt Wasserwerfer einsetzte. Grund hierfür seien Ausschreitungen der Demonstranten, die auf Polizisten losgingen und dabei Steine und Flaschen warfen, teilte die Polizei mit. Danach entspannte sich die Lage.

Am späten Abend kurz vor 22 Uhr brannten dann allerdings zwei car2go-Smarts an der Glacischaussee. Ein weiteres Auto wurde in Mitleidenschaft gezogen. Vor der St.-Pauli-Fankneipe Jolly Roger an der Budapester Straße kam es zu einem Kleinfeuer auf dem Gelände des Wirtschaftsgymnasiums.

Ein Sanitäter sprach von mehr als 50 Verletzten. Die Polizeisprecherin berichtete von insgesamt acht Festnahmen, zwei weitere Personen wurden in Gewahrsam genommen.

Demonstranten besetzen ehemalige Schule


Zuvor besetzten rund 400 Demonstranten die ehemalige Grundschule Laeiszstraße im Karolinenviertel. Gegen 18 Uhr fand dort eine Vollversammlung der Unterstützer der Lampedusa-Flüchtlinge statt. Der Tag der Arbeit soll eine “Willkommenskultur“ werden, sagten die Demonstranten vor Ort, die sofortiges Bleiberecht und Arbeitserlaubnis für die Flüchtlinge forderten. Einige Flüchtlinge nahmen an der Jahresversammlung teil und wurden bei ihrer Ankunft frenetisch gefeiert.

Die Veranstaltung in der seit einem Jahr stillgelegten Schule verlief friedlich. Passanten konnten das Gebäude ohne Widerstand betreten und verlassen. An der Fassade hängte ein Banner mit den Worten „Refugee Welcome Center“.

Die Polizei stellte sich mit Schlagstöcken vor der ehemaligen Grundschule auf, was für Buhrufe unter den Demonstranten sorgte. Die Beamten verzichteten allerdings auf aktives Einschreiten. Ohnehin muss der Besitzer der Schule zunächst einen Strafantrag stellen, bis die Polizei gegen Hausfriedensbruch vorgehen darf.

Nach der Versammlung meldeten die Besetzer der Schule eine Demonstration an, die auch genehmigt wurde. Die Demonstranten marschierten durch Kleinstraßen des Karolinenviertels. Der Zug habe dann immer mehr Zulauf bekommen und sei auf mehr als 830 Teilnehmer angewachsen, teilte die Polizei mit. Unter den Demonstranten war auch Andreas Blechschmidt, der Sprecher der Roten Flora. Die Demonstration verlief weitestgehend ruhig, es gab keinen Anlass für Ausschreitungen.

Bereits am Nachmittag bedrängten Unterstützer der Flüchtlinge aus Lampedusa Hamburgs Ersten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) lautstark mit Sprechchören, sodass die Polizei einen Schutzring um ihn bilden musste.

Kritisiert wird die Flüchtlingspolitik des Senats


Mit Parolen wie „Hamburg dreht durch. Heraus zum 1. Mai“ und „1. Mai – Straße frei, nieder mit der Polizei“ rüsteten die Akteure bereits Tage vor der „revolutionären“ Aktion verbal auf. Das Mobvideo zeigte zudem, wie junge, vermummte Leute Fassaden an einer U-Bahn-Haltestelle mit dem Demonstrationstermin am 1. Mai, 18 Uhr, U-Bahn Feldstraße, besprühten. Aber die Tonalität war längst nicht so scharf wie kurz vor den Ausschreitungen um die Rote Flora im Dezember. Die Tageszeitung taz meinte jetzt sogar, „sanfte Töne“ bei den Demo-Organisatoren zu vernehmen und titelte in ihrer Ausgabe zum 1. Mai: „Krawall ist so achtziger“.

Der Protest der Roten Szene Hamburg (RSH) am 1. Mai richtet sich nach eigenen Angaben gegen das „kapitalistische System“. Kritisiert werden niedrige Löhne, steigende Mieten und die Flüchtlingspolitik des Senats. Offenbar, so behauptet das Bündnis, seien dem Senat nur „nützliche Ausländer“ willkommen.

Auch bei den schweren Krawallen im Dezember 2013 waren die Flüchtlingspolitik und die evakuierten Esso-Häuser die brisanten Themen. Dazu kam der Protest gegen eine mögliche Räumung der Roten Flora. Im Dezember zählte die Polizei rund 7000 Demonstranten. Es gab 320 Gewahrsamnahmen und Dutzende Verletzte bei Demonstranten und Polizisten.

( (HA) )

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