Eine Glosse von Lorianne van Gelder

Als Neu-Hamburgerin freue ich mich über alles, was neu ist. Aber die Hamburger sind da wohl anders. Neu ist nicht unbedingt gut – neu ist oft sehr schlimm. Und diese Nostalgie (oder ist es Konservatismus?) sehe ich vor allem in meiner Gegend, dem Schanzenviertel. Mitten in diesem Kiez, wo die Leute so leidenschaftlich und streitbar sind, befürchten sie die Verwandlung ihrer Straße.

Ich wohne an der Schanzenstraße, oberhalb der ehemaligen Kultkneipe Dschungel. Eine Kneipe mit einem legendären Ruf, ein Club, den die Leute liebten. Aber seitdem der Dschungel im Herbst vergangenen Jahres umgezogen ist, weil das baufällige Gebäude von einem großen Immobilienkonzern gekauft wurde, sind die Anwohner traurig. Monatelang stand das Gebäude leer, und die Gerüchteküche brodelte. Ein H&M-Haus käme oder, noch schlimmer, ein Starbucks. Obwohl es alles nicht sicher war, haben einige Schanzenbewohner sich schon vorsorglich aufgeregt. Noch eine Kette, das geht doch nicht!

Vor zwei Wochen haben die Bauarbeiten an dem alten Dschungel begonnen. Jeden Tag wurde ich aus meinem Bett geschüttelt, und vor einer Woche war dann plötzlich alles weg. Nichts erinnert noch an die spannende Vergangenheit und an laute Partys. Es gibt nur noch Trümmer, ein tiefes Loch und einen Bauzaun. Aber unter dem alten Gebäude kam toller Stuck zum Vorschein. Und dann geschah etwas, was ich nie erwartet hätte: Passanten blieben stehen. Sie zeigten auf die Trümmer und machten Fotos von der Ruine. Der Dschungel an dieser Stelle ist vielleicht vorbei, und welcher Laden da kommt, wissen wir nicht. Aber die Reste sind zu einer Sehenswürdigkeit geworden. Zu einem Denkmal für das Alte und für das Neue, noch bevor es erscheint.