Wer im Hamburger Umland wohnt und mit seinem Auto zur Arbeit fährt, macht ein Minusgeschäft – wenn er täglich 30 Kilometer oder mehr fahren muss. Das ergab eine Studie für den Grundeigentümerverband Hamburg.

Hamburg. An jedem Arbeitstagmorgen geht Volker Sarbach um 7.45 Uhr aus seinem Haus im beschaulichen Boltersen. Die zehn Kilometer bis zum Bahnhof in Lüneburg fährt er mit dem Auto. Die 34-minütige Zugfahrt nach Hamburg beginnt um 8.28 Uhr. Dann sind es noch drei Stationen mit der U-Bahn, und der 57-Jährige ist im Büro.

„Etwa 90 Minuten benötige ich für eine Strecke“, erzählt er. Abends den gleichen Weg zurück. Bei 220 Arbeitstagen im Jahr macht das 660 Stunden. Mit anderen Worten: Volker Sarbach verbraucht im Jahr fast vier Wochen für seinen Arbeitsweg. „Mit dem Auto die insgesamt 140 Kilometer täglich zu fahren, wäre finanziell nicht machbar“, erzählt der 57-Jährige.

Aber auch so ist das Pendeln nicht ganz günstig: 159 Euro im Monat muss er für die ÖPNV-Karte zahlen. 36 Euro für den P+R-Platz kommen noch hinzu. Und doch würde Volker Sarbach ungern tauschen. „Der Erholungswert, auf dem Land zu leben, ist wirklich hoch.“ Hinzu kommt, dass ein vergleichbares Haus in Hamburg viel zu teuer gewesen wäre.

„Ab 30 Kilometer wird für Pkw-Pendler das Leben im Umland zu einem Minusgeschäft“, sagt Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbands Hamburg. „Dann übersteigen die Fahrtkosten die Einsparungen bei den Wohnkosten.“ Stüven stellte am Mittwoch die Ergebnisse einer Studie über Mobilitätskosten vor. Das Unternehmen „Analyse & Konzepte“ hatte die Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt, die Kosten für Pkw und Treibstoff sowie den Zeitaufwand fürs Pendeln untersucht.

„Die Ergebnisse bestätigen, dass Käufer von Immobilien bei der Kalkulation und der Standortwahl heute mehr denn je die Kosten der Mobilität berücksichtigen müssen“, sagte Stüven. Während in dem Zeitraum zwischen 2006 und 2013 die Wohnkosten in etwa gleich geblieben seien, sei der Aufwand fürs Pendeln gestiegen.

Wer beispielsweise im VW-Passat von Lüneburg ins Hamburger Zentrum pendelt, musste vor acht Jahren dafür 781 Euro im Monat aufwenden. Heute sind es der Studie zufolge 1077 Euro. Der Grundeigentümerverband hatte bereits im Jahr 2006 eine entsprechende Studie erstellen lassen.

Schätzungen zufolge pendeln an Werktagen rund 300.000 Menschen zu ihrem Arbeitsplatz nach Hamburg. Weil in den vergangenen Jahren die Immobilienpreise in der Hansestadt deutlich stiegen, nahm die Zahl jener, die ins Umland zogen, wieder zu. Im vergangenen Jahr verlegten rund 7000 Menschen ihren Wohnsitz von Hamburg in das Umland der Metropole.

Wer den ÖPNV nutzt, profitiert von den niedrigeren Wohnkosten im Umland

Stüven räumte ein, dass sich für Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs der Umzug in Hamburgs Speckgürtel noch rechne. „Die Wohnkosten dort sind deutlich geringer.“ Der Studie zufolge liegen beispielsweise in Lüneburg die Wohn- und Mobilitätskosten zusammengerechnet bei 957 Euro pro Monat, während sie in Niendorf 1365 Euro erreichen. Anders sieht es bei Berufspendlern aus, die mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs sind. Bei in Lüneburg lebenden Pkw-Pendlern liegen beispielsweise die monatlichen Wohn- und Mobilitätskosten bei fast 2000 Euro, während sie in Niendorf etwas mehr als 1500 Euro ausmachen.

Stüven verwies auf den großen Zeitaufwand, den Pendler für die Fahrt zur Arbeit betreiben müssten, und der bei den reinen Kostenberechnungen nicht berücksichtigt worden sei. Wer beispielsweise von Stade nach Hamburg muss, verbringt dafür im Jahr 466 Stunden im Auto oder 481 Stunden im Zug. „Staus und andere Wartezeiten sind da nicht eingerechnet“, sagte Stüven.

Der Verbandschef verwies auf die anstehende Erneuerung der Autobahn 7 nördlich des Elbtunnels, die in den kommenden zehn Jahren den Verkehr in der Metropolregion stark beeinträchtigen wird. „Als Folge werden die Fahrtzeiten der Pendler noch länger.“

Wohnen in Hamburg ist nach Auffassung von Stüven mit Vorteilen verbunden. „Zum einen wird die Umwelt entlastet, wenn weniger Kilometer zwischen Arbeitsplatz und Wohnort zurückgelegt werden müssen.“ Zum anderen unternehme die Hansestadt derzeit ein Menge, um für Familien attraktiv zu sein. „Das Wohnungsbauprogramm soll zu mehr Wohnraum führen und so die Lage auf dem Immobilienmarkt weiter entlasten.“ Ferner führe Hamburg im Sommer dieses Jahres die fünfstündige kostenlose Kinderbetreuung ein, „wodurch die Haushaltskasse einer Familie monatlich um bis zu 200 Euro entlastet werden wird“, sagte Stüven.

Auch die Stadt müsse Interesse haben, möglichst viele Familien in der Stadt zu halten. „Durch den Wegzug von Familien gehen der Stadt Einkommenssteuern in Millionenhöhe verloren“, sagte der Chef des Grundeigentümerverbands. Der Grund: Die Einkommensteuer wird am Wohnort bezahlt.