Rost und ein Leck: Deutschlands einziges schwimmendes Gotteshaus wird in der Flint-Werft überholt. Gottesdienste erst wieder im Mai

Steinwerder. Das dicke Stahlseil spannt sich, als die mächtige Winde quietschend und mit knatterndem Motor in Gang kommt. Es riecht nach Diesel. Der Slipwagen rollt langsam aus dem Wasser. Obendrauf liegt, fest vertäut, die Flussschifferkirche. Deutschlands einziges schwimmendes Gotteshaus muss durch den TÜV.

Überholt wird die Flussschifferkirche auf der Flint-Werft am Ellerholzdamm – ein Gelände, über das man sich auf Wegen aus zusammengenietetem Stahlblech bewegt, vorbei an aufeinandergestapelten Schiffsschrauben, Stahlträgern und verrosteten Wrackteilen. Gegründet wurde die Werft 1870; im selben Jahr schickte der Hamburger Pastor Johann Hinrich Wichern den ersten Hafenmissionar zu den Binnenschiffern. Für eben diese Missionsarbeit wurde die Flussschifferkirche, ein vor 108 Jahren erbauter Küstenfrachter, 1951 umgestaltet – in der benachbarten Norderwerft.

Die 1901 erbaute museumsreife Slipanlage ist noch älter als das tropfende Kirchenschiff, das sie jetzt langsam an Land zieht. An vielen Stellen am Rumpf zeigt sich Rost, manche der genieteten Stahlplatten sehen verdächtig porös aus. Außerdem scheint es am Heck eine undichte Stelle zu geben, denn in der Kombüse im Achternschiff sind die Wände feucht. Das jedenfalls erzählt Christiane Hey-Laib, die das Verholen beobachtet.

Die Fischgroßhändlerin aus St.Pauli ist Vorsitzende des Fördervereins, der die vom damaligen Kirchenkreis Alt-Hamburg wegen zu hoher Kosten verstoßene Flussschifferkirche übernommen hat. Vor dem festlichen Übergabegottesdienst im Juli 2007 wurde das Schiff zuletzt vom TÜV überprüft. Jetzt, nach sieben Jahren, ist der nächste Check fällig.

Um die von der Hafenbehörde HPA verlangte „Schwimmbefähigkeitsbescheinigung“ zu bekommen, ist eine Generalüberholung der Flussschifferkirche nötig. „Die Farbe kommt bis auf den blanken Stahl herunter, dann muss die Außenhaut komplett entrostet werden. Außerdem werden die als Korrosionsschutz am Rumpf angebrachten Anoden erneuert und die Schiffswand mit Ultraschall untersucht und zusätzlich abgehorcht“, weiß Christiane Hey-Laib, die ihr als Seglerin erworbenes Fachwissen während ihres Engagements für das Kirchenschiff vertieft hat. „Wir rechnen mit Reparaturkosten von mindestens 80.000 Euro.“

Die Kosten der Sanierung und das Wissen, dass unter der blauen und weißen Farbe des Schiffsrumpfes noch etliche unvorhersehbare Schäden lauern können, machen der Vereinsvorsitzenden Sorgen. Knapp zwei Drittel der Summe bezahlt zwar die Kirche. Den Rest aber muss ihr Verein aufbringen. Dessen Aufgaben sind vielfältig. Neben dem Erhalt des Schiffs sind die Mitglieder auch für das Gemeindeleben verantwortlich.

Sie organisieren Gottesdienste, bereiten Trauungen, Taufen, Konzerte und Lesungen sowie die Teilnahme an Hafengeburtstagen, Kirchennächten und Denkmaltagen vor. Dazu kommen Öffentlichkeitsarbeit, Sponsorensuche und Buchhaltung. „Es ist viel Arbeit, aber es lohnt sich: Wir haben unsere Arche Noah auf Kurs gebracht“, sagt Christiane Hey-Laib. Dennoch wäre sie froh, in Sachen Personal und Finanzen weitere Unterstützung zu finden.

Weil sich beim Sandstrahlen die Nieten lockern, muss das per Hand erfolgen

Während die „Flusi“, wie die Flussschifferkirche im Förderverein genannt wird, erst am Dienstag in die Werft geschleppt wurde, liegt der Ponton schon mehrere Wochen dort. Er musste vier geschlossene Schwimmkammern zur Stabilisierung erhalten, damit das Kirchenleben auch draußen stattfinden kann und das vom Rauhen Haus betriebene Kirchencafé Weite Welt dort bei gutem Wetter Tische und Stühle aufstellen kann. Für die Experten der Flint-Werft ist es Routine, alte Stahlschiffe mit Bedacht und größter Sorgfalt auf Herz und Nieren – besser gesagt auf Rost und Lecks – zu überprüfen.

Heutzutage kommt da natürlich Hightech zum Einsatz, aber auch eine Technik, die schon im 19. Jahrhundert angewendet wurde. „Wir kontrollieren die Außenwände zunächst mit Ultraschall, dann horchen wir sie ab“, sagt Betriebsleiter Bernd Walter, der die Flussschifferkirche untersuchen wird.

Der Schall erfasst nur eine zwei Quadratmillimeter große Stelle – schon der Bereich direkt daneben könnte theoretisch schadhaft sein. Deshalb wird Bernd Walter wiederholt das wichtigste Werkzeug eines Stahlschiffbauers zücken: einen kleinen Hammer, exakt 150 Gramm schwer. Damit wird er die Flussschifferkirche abhören wie ein Arzt die Brust seines Patienten. „Durch den Klang höre ich sofort, wo das Stahlblech dünn geworden ist“, sagt der 62-Jährige. Das kann durch Rost passieren – aber auch durch den Schlick, wenn die Flussschifferkirche bei Niedrigwasser auf Grund läuft: Die Sandkörnchen können Farbe und Blech abschmirgeln.

Traditionelles Arbeiten ist auch beim Herunterholen der Farbe angesagt. Weil sich beim Sandstrahlen die Nieten lockern würden, muss das per Hand erledigt werden. Das ist heute einfacher als früher, denn die Farbe hält nicht mehr so gut. „Wegen der Umweltauflagen sind in den Anstrichen heute nicht mehr so viele Schwermetalle enthalten“, weiß Walter. „Das ist schlecht für die Schiffe, aber besser fürs Wasser.“ So mussten früher die Taucher der Firma, die versehentlich Elbwasser verschluckt hatten, ins Krankenhaus. Heute wäre das unbedenklich. Wie lange die Flussschifferkirche bei Bernd Walter und seinen Mitarbeitern überholt wird, ist noch nicht sicher. Eigentlich sollte die Renovierung von Schiff und Ponton bis Ostern abgeschlossen sein. Aber weil im Winter erst Sturmschäden repariert werden mussten und dann Eis auf der Elbe den Transport des Pontons verhinderte, hat sich das ganze Projekt verzögert. Den Ostergottesdienst hat Christiane Hey-Laib schon abgesagt. Der erste Gottesdienst auf der rundum überholten Flussschifferkirche soll am ersten Sonntag im Mai stattfinden.