Die Zahl der Schankwirtschaften hat sich innerhalb von zehn Jahren fast halbiert. Aber die, die noch da sind, sind mit viel Herzblut dabei

Die Eckkneipen in Hamburg sterben aus. Die Zahl der sogenannten Schankwirtschaften hat sich innerhalb von zehn Jahren fast halbiert: Von 1483 im Jahr 2002 auf 773 im Jahr 2012. Der Umsatz hat sich um mehr als 28 Prozent von insgesamt etwa 228 Millionen Euro etwa 164 Millionen Euro reduziert: „Es gibt zahlreiche Gründe für das Ende vieler traditioneller Eckkneipen. Das Angebot in der Gastronomie ist immer größer geworden. Die Gäste haben inzwischen die Qual der Wahl“, sagt Dehoga-Vizepräsident Jens Stacklies. Da würden sich viele Gäste dann eher für eine Cocktailbar oder ein durchgestyltes Lokal entscheiden anstatt in eine Eckkneipe mit 70er-Jahre-Charme einzukehren.

Der Branchenexperte weiß auch: „Den alteingesessenen Wirten fehlen häufig die Nachfolger. Auch die Mieten werden immer teurer und damit die Einnahmen entsprechend geringer.“ Der Großgastronom, der unter anderen die Fischauktionshalle und die Gröninger Privatbrauerei an der Willy-Brandt-Straße betreibt, bedauert die Entwicklung: „Eine Eckkneipe war früher eine Institution. Es war eine Anlaufstelle, bei der es nicht nur ums Biertrinken ging, sondern hier haben die Menschen ihre Sorgen und auch Erfolge geteilt.“

Die gute alte Zeit kennt auch Sylvia Kies von der Kurzen Ecke an der Straße Kohlhöfen in der Neustadt noch. Seit 33 Jahren steht sie in der urigen Eckkneipe hinter der Theke. Die Jugend mache auf der Suche nach Spaß und Unterhaltung einen weiten Bogen um die Eingangstür. Kies nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Lage ist schlecht, uns sterben die Gäste weg.“ Selbst eine neumodische Happy Hour – also Getränke zum halben Preis – konnte kein neues Klientel anlocken. Die, die noch kommen und schon am frühen Nachmittag mit einer Astra Knolle am Tresen sitzen, über Gott und die Welt sprechen oder dem Kartenspiel frönen, sind treue Stammgäste. Aus der Musikanlage dudeln 80er-Jahre-Schlager, dunkles Holz prägt die Einrichtung, überall hängen Wimpel, und der Rauch steht in der Luft. Ab und an blinken die Spielautomaten: „Selbst die 40-Jährigen kommen nicht mehr hierher“, sagt Stammgast Werner. Aber er ist oft hier, „weil es so gemütlich ist. Wir kennen uns hier alle, und die Musik ist angenehm im Hintergrund, so das wir uns auch noch unterhalten können.“

Ortswechsel. „Klar muss man kämpfen“, sagt Rasa Lesciukaitene. Sie führt seit vier Jahren den Hofweg Treff, der schon seit mehr als drei Jahrzehnten existiert. Die Gegend hier auf der Uhlenhorst ist eigentlich geprägt von szenigen Geschäften, schicken Bars und Restaurants. Ein bisschen fremd wirkt da der Hofweg Treff. Aber Lesciukaitene hat nicht bereut, den Laden übernommen zu haben. Im Gegenteil, anders als in der Neustadt hat sie auch jüngeres Publikum: „Die kommen nach der Arbeit in meine Kneipe, um entspannt ein Bier zu trinken.“

Der Vorteil der Eckkneipen ist, dass in fast allen noch geraucht werden darf. Allerdings nur, wenn kein Essen angeboten wird. Die Wirtin weiß: „Bei einem absoluten Rauchverbot können wir sofort dichtmachen.“ Auch im Hofweg-Treff ist die Einrichtung rustikal. Hier soll nichts durchgestylt werden: „Die Gäste kommen doch wegen dieser Atmosphäre. Wir geben uns Mühe, hier den alten und gemütlichen Charme zu erhalten.“

Wer den Kiez kennt, der kennt auch die Kneipe Zur scharfen Ecke. Touristen und Einheimische trinken hier an der Davidstraße gemeinsam oder tanzen zu Howard Carpendales „Ti amo“ aus der Jukebox. Seit 1911 gibt es das Lokal, es gehört zu den ältesten Hafenpinten der Hansestadt. Schiffsmodelle schaffen eine maritime Atmosphäre und lassen bei manch einem wohl Fernweh aufkommen: „Diese Kneipe wird nie wegbrechen. Wir haben wirklich gut zu tun“, sagt Mitarbeiterin Simone Richter. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Konkurrenz selbst auf dem Kiez für solch eine Eckkneipe nicht mehr groß ist. Aus vielen sind inzwischen Musikklubs oder szenige Bars geworden.

Ein Alleinstellungsmerkmal in seinem Quartier hat auch der Schinkelkrug an der Peter-Marquard-Straße in Winterhude: „Wir haben keinen Grund zur Sorge“, sagt Inhaber Peter Boldt. Gut 35 Jahre, vielleicht auch schon länger, gibt es das Lokal. Seit 26 Jahren ist Peter Boldt hier der Chef. Er setzt auf den persönlichen, freundschaftlichen Kontakt zu seinen Gästen.

Die Nähe zu den Kunden ist noch immer das, was den verbliebenen Schankwirtschaften“ ihre Daseinsberechtigung gibt. Das weiß auch Simone Einkopf zu berichten. Im Herzen von Hamm an der Caspar-Voght-Straße, führt sie die Augustiner Stub’n. Die Lokalität gibt es seit mehr als sechzig Jahren: „Bei uns geht es familiär zu“, sagt die Gastronomin. Ein junger Mann am Tresen, der gerade ein frisch gezapftes Augustiner trinkt, ergänzt: „Ich bin gerne hier, weil die Preise fair sind und ich nur hier dieses bayrische Bier bekomme.“ Sein Kumpel sagt: „Hier fetzt es einfach.“

Nachwuchsprobleme kennt Einkopf nicht: „Auch die jungen Leute die immer mehr in diesen Stadtteil ziehen, kommen gerne zu uns. Bei mir trifft sich Jung und Alt.“ Sie selber beschreibt ihre Aufgabe so: „Ich gestalte hier die Freizeit meiner Gäste, und die sollen sich wohlfühlen.“

Worte, die Mut machen. Vielleicht kommen die Eckkneipen doch wieder in Mode und werden nicht zum Auslaufmodell.