Der alte Küstenkutter „Silvia“ spielt in YouTube-Filmen von Y-Titty die Hauptrolle. Seit März wird „Kutterponk“ im Museumshafen Oevelgönne produziert.

Ottensen. „Silvia“ hat schon raue Fahrten hinter sich. Bis nach Dänemark ist sie von Heiligenhafen aus los, bei Bedingungen, bei denen schon kein anderer Fischer mit seinem Kutter mehr hinausgefahren ist, um Makrelen und Aale zu angeln. „Bis zur Tonne 5 rauf kurz vor der dänischen Grenze hat die ,Silvia‘ es geschafft.“ Das hat sich Henning Wellner von Herbert, dem früheren Besitzer seines Küstenkutters „Silvia“, in breitem Norddeutsch anhören müssen.

Mit ihren 50 Jahren erlebt die „Silvia“ jetzt ganz andere Abenteuer. Statt hinaus auf die stürmische Ostsee zu fahren, ist sie seit Anfang des Jahres ein Star auf YouTube. Das – zumindest bei der jüngeren Generation bekannte – Trio Y-Titty, das am Donnerstag einen Echo in der Kategorie „Video National“ bekam, drehte schon auf der „Silvia“. In dem Filmchen verkaufen die drei den Kutter an Käpt’n Alex. Das war der Startschuss für die Reihe „Kutterponk“ um den strengen Käpt’n Alex (AlexiBexi) und seinen Matrosen Fiete (Fresh Torge). Seit März werden die YouTube-Filme „Kutterponk“ auf der „Silvia“ im Museumshafen Oevelgönne produziert.

Hätte Henning Wellner nicht einen zwölfjährigen Sohn, der sich in der Welt der YouTube-Kanäle und -stars auskennt, vielleicht hätte er „Silvia“ für die Dreharbeiten gar nicht hergegeben. Aber Wellner ist inzwischen ein Kenner von Y-Titty und Co. Einer Parallelwelt, wie er sagt. Eine Welt, die für Kinder und Jugendliche alltäglich ist.

Dass die Firma Mediakraft auf ihn zugekommen ist, um auf seiner „Silvia“ die Kutterponk-Filme drehen zu können, darauf ist der 50-Jährige ein wenig stolz. „Ich freue mich, wenn mein Kutter bekannt wird.“ Schließlich scheint diese Verbindung zwischen Männern und ihren Booten eine ganz besondere zu sein. Wenn Henning Wellner über seinen Kutter spricht, klingt das sehr liebevoll. „Ich liebe diesen Geruch nach Öl, Teer und Diesel. Sie ist so robust. Man ist geneigt, auch mal einen Nagel ins Holz zu hauen“, sagt er. Bei einem edlen Mahagoni-Boot ginge das nicht.

Weil es in Hamburg auf dieser Elbseite nicht so viele Kutter gebe, sagt er, fiel die Wahl der Filmemacher schnell auf seine „Silvia“. Einmal im Monat, sonntags von frühmorgens bis abends, soll ab April wieder auf der „Silvia“ gedreht werden. Wellner ist dann immer dabei, schmeißt den 100 PS starken Sechszylinder-Motor an und fährt den zehn Meter langen und 3,50 Meter breiten Kutter und die Filmcrew über die Elbe zu unterschiedlichen Drehorten. „Das hängt immer vom Wetter ab. Die Elbe hat ganz gute Wellen, das kann ziemlich schaukeln. Einige Drehtermine sind daher auch schon geplatzt. „Ich muss darauf achten, dass die Jungs die Kamera noch halten können.“

Mit rund 460.000 Abonnenten ist der Kanal Ponk, auf dem neben „Kutterponk“ auch der „Travelponk“ läuft, recht erfolgreich. „Kutterponk ist klamaukig, aber es sollen in Zukunft auch Themen aus der Stadt und dem Alltag aufgegriffen werden.“ Hofft er. Für seinen Einsatz und für „Silvia“ bekommt er Honorar. Über die Höhe nur so viel: Reich werde man davon nicht.

Aber das Honorar hilft ein wenig bei den vielen Instandsetzungsarbeiten an „Silvia“, die jahrelang als Küstenkutter für die Fischerei unterwegs war. Das hat Spuren hinterlassen. Nach einem Jahr, in dem Henning Wellner „Silvias“ früheren Besitzer Herbert regelmäßig in Heiligenhafen besucht hat, hatte dieser die „Silvia“ für den Verkauf freigegeben. Eine Trennung, die wohl schwerfiel.

Seit einem Jahr nun hat „Silvia“ ihre neue Heimat im Museumshafen Oevelgönne. Von Heiligenhafen aus über Travemünde und den Lübeck-Elbe-Kanal war Wellner zwei Tage lang nach Hamburg unterwegs. Der Hafengeburtstag im vergangenen Jahr war für ihn und „Silvia“ Premiere. Er freut sich sehr über den Standort in Oevelgönne: „,Silvia‘ liegt hier in erster Reihe.“ Mit dem Fahrrad fährt er von seiner Wohnung in Altona aus hinunter zum Museumshafen und verbringt dort jede freie Minute. Es gibt ja auch immer etwas zu tun: Zuletzt wurde das Vorschiff gemacht, zu Kosten „im Wert eines Kleinwagens“.

Die meisten Arbeiten macht der freiberufliche Ingenieur selbst, die Schraubereien an der Maschine, dem Getriebe, an der Elektrik. Die Eichenplanken schleift er ab und ölt sie. Für größere Arbeiten geht es in die Behrens-Werft auf Finkenwerder. Denen vertraut er. „Die machen das sehr liebevoll.“ Demnächst steht die Einrichtung seiner Koje an. Denn irgendwann möchte Henning Wellner unter Deck übernachten können.

Bislang hat er einige Male auf Deck auf einer Isomatte geschlafen. „Es gibt keinen schöneren Ort, als an einem Sommerabend im Museumshafen an Deck.“ Wenn das Boot schaukelt und die Geräusche von Land nur leise zu hören sind. Das sei dann mediterran.