Eine Glosse von Alexander Schuller

Im Laufe eines länger währenden Lebens lernt man ja für gewöhnlich dazu. Vor allem aber lernt man, mit Niederlagen umzugehen oder, wie im Falle meines Freundes Paul, dass es Dinge gibt (oder auch: Zustände), die man nicht ändern kann. Weil eine Vorsehung offenbar doch existiert. Sowie eine höhere Macht.

Diese ungeschriebenen Naturgesetze betreffen Paul gleich in mehrfacher Hinsicht. Dass er sich grundsätzlich in die falsche Schlange vor der Kasse einreiht, ist nur das kleinste Problem. Schwerer wiegt sein Talent, immer und irgendwie durch den Rost zu fallen, zu spät zu kommen oder zu früh; „Stichtag“ heißt das Zauberwort.

Steuererhöhungen würden etwa immer dann beschlossen, wenn er zufällig gut verdient habe, klagte er neulich, als wir bei unserem Stamm-Italiener aufs Mittagessen warteten; Steuererleichterungen habe er dagegen noch nie genießen können. Auch als er sich aus Vernunftgründen seinen ersten Diesel-Pkw gekauft hatte, explodierte exakt eine Woche später der Preis für diesen Kraftstoff.

Klar, dass seine Tochter zum letzten Universitätsjahrgang gehörte, der noch Studiengebühren zahlen musste, und wenn Paul seinen Jahresurlaub plant, kann sich sein gewähltes Reiseland auf politische Unruhen einstellen – oder sollte mit einer Naturkatastrophe rechnen, spätestens 24 Stunden vor Pauls Abflug. Dann wurde das Mittagessen serviert, und Paul brach plötzlich in Tränen aus. Denn seine Pasta kam als erstes Gericht, obwohl er als Letzter bestellt hatte! Das sei ein Wunder, hauchte er mit tränenerstickter Stimme. Aber, was soll ich sagen: Leider waren seine Nudeln kalt.