Justizsenatorin Jana Schiedek möchte Strafgesetzbuch erweitern. Justizministerkonferenz wird Thema beraten

Hamburg. „Du nervst, geh sterben, du bist so hässlich.“ Wenige Worte, schnell hingeschrieben auf Facebook, aber mit ungeheurer Wirkung. Das 14 Jahre alte Mädchen, das diese Botschaft von einem Klassenkameraden erhielt, war zuvor wochenlang morgens in der Schule gemobbt worden, am Nachmittag im Netz. Nach der Aufforderung zum Selbstmord via Facebook, über die „Spiegel Online“ 2012 berichtete, wechselte die 14-Jährige die Schule.

Über das Ausmaß von Cybermobbing, wie diese Formen von Beleidigungen, Nötigungen und Bedrohungen im Internet genannt werden, gibt es bislang nur wenige Studien. Laut einer Erhebung des Bündnisses gegen Cybermobbing, an der sich 2013 mehr als 10.000 Schüler, Eltern und Lehrer beteiligten, ist fast jeder fünfte Jugendliche – 17 Prozent – schon einmal Opfer solcher Attacken geworden. Mit 19 Prozent fast gleich hoch ist der Anteil derjenigen, die sich selbst als Täter bezeichneten. Nur jeder fünfte Jugendliche, der Opfer von Cybermobbing wird, meldet den Vorfall den Betreibern der betroffenen Plattformen. Das Dunkelfeld ist also entsprechend hoch.

Es kommt hinzu, dass es bislang strafrechtlich ausgesprochen schwierig ist, gegen diese Form der Nachstellung vorzugehen. So ist nicht jede einzelne Beleidigung im Netz gleich justiziabel, aber die Menge von Äußerungen zahlreicher Teilnehmer führt häufig zu tieferen Verletzungen des Opfers. Aufgrund der teilweisen Anonymität sind Herabsetzungen und Beleidigungen im Internet zudem im Ton häufig schärfer als im „wirklichen“ Leben.

Gegen die juristischen Schwierigkeiten im Umgang mit Cybermobbing will Justizsenatorin Jana Schiedek nun vorgehen. Die SPD-Politikerin schlägt vor, Cybermobbing als eigenen Straftatbestand einzuführen. Bislang gibt es eine solche Regelung seit 2006 lediglich für das Stalking, das wiederholte Verfolgen und Nachstellen eines Menschen. Im Übrigen kennt das Strafgesetzbuch nur den Bereich der Ehr- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen, wozu Beleidigungen und üble Nachrede zählen.

Hamburg hat das Thema Cybermobbing für die nächste Justizministerkonferenz Ende Juni auf Rügen angemeldet. Schiedeks Ziel ist eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines eigenen Straftatbestands für Beleidigungen und Bedrohungen im Internet. „Präventionsarbeit ist und bleibt der wichtigste Ansatz, um Cybermobbing einzudämmen. Wir müssen aber auch den strafrechtlichen Schutz verbessern“, sagt die Senatorin. Verletzungen der Persönlichkeitsrechte hätten heute im Internet eine andere Qualität als im 19.Jahrhundert, als der Gesetzgeber diese Straftatbestände einführte. „Sie verbreiten sich wesentlich schneller und weiter, verflüchtigen sich nicht und sind im Ton häufig deutlich verletzender als im persönlichen Umgang. Das gilt besonders, wenn sie mit intimen Filmsequenzen angereichert werden“, so Schiedek. Die Opfer blieben häufig hilflos zurück.

Die Justizsenatorin setzt auch auf eine Verbesserung der Aufklärungsmaßnahmen in Strafprozessen. Dabei geht es vor allem um eine verstärkte Ermittlung von IP-Adressen mutmaßlicher Täter. Die Diskussion unter den Länderjustizministern kann auch eine Verschärfung des Strafrahmens ergeben. Eine rein verbale Beleidigung kann derzeit zu einer Strafe von bis zu einem Jahr führen. Für eine „tätliche“ Beleidigung, also etwa das Anspucken oder Übergießen mit einer Flüssigkeit, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verhängt werden. Als denkbar gilt, dass sich der Strafrahmen bei Cybermobbing diesem Wert annähert. In der Justizbehörde wird nicht zuletzt auf die Signalwirkung eines neuen Straftatbestands Cybermobbing gesetzt. So könnte bei Internetnutzern das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass Beleidigungen und Herabsetzungen im Netz eben keine Kavaliersdelikte sind und nicht folgenlos bleiben müssen.

In eine ähnliche Richtung zielt auch der hamburgische Datenschutzbeauftragte Prof. Johannes Caspar. „Im Prinzip muss man sagen, dass man mit den Mitteln des Strafrechts nur bedingt diejenigen erreicht, die dieses Phänomen betrifft“, sagt Caspar. „Aber allein die Einführung eines Straftatbestands Cybermobbing bringt Publizität und kann abschreckend wirken. Insofern begrüße ich das.“ Auch für den Datenschutzbeauftragten steht die Aufklärung vor allem junger Menschen über Gefahren und Risiken des Internets und die Betonung des respektvollen Umgangs miteinander im Vordergrund. „Es führt kein Weg an der Prävention vorbei, die Pflichtfach an den Schulen werden muss“, so Caspar.

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik weist darauf hin, dass Cybermobbing nicht auf Kinder und Jugendliche allein beschränkt ist. „Zwölf Prozent der Nutzer, die in mindestens einem sozialen Netzwerk aktiv sind, waren in diesem Zusammenhang bereits Opfer von Mobbing und sexueller Belästigung“, heißt es in einer Mitteilung des Bundesamts zu einer eigenen Umfrage. Dabei handelte es sich vorwiegend um weibliche Nutzer zwischen 14 und 39 Jahren.