Eine Glosse von Alexander Schuller

Ein guter Freund, nennen wir ihn Paul, ist ein Sparfuchs und regt sich ständig über die steigenden Mieten auf. Außerdem findet er es ganz schlimm, dass in seinem Quartier – er wohnt in St. Georg – die kleinen Läden und Handwerksbetriebe verschwinden, natürlich auch und vor allem wegen der horrenden Pacht.

Deshalb gehe er inzwischen auf die Straße, um gegen Gentrifizierung zu demonstrieren, sagte er und drückte auf sein Smartphone, um die Onlinebestellung des neuen Romans von Ian Rankin bei Amazon abzuschließen – just in dem Augenblick, als wir an der Buchhandlung von Jürgen Wohlers an der Langen Reihe vorbeischlenderten. Auch der schöne alte Käseladen sei nicht mehr da, erzählte Paul, wobei seine Frau und er ja inzwischen vegan lebten. Das mit den kleinen Läden sei wirklich schlimm: Man könne ja nur noch im Internet einkaufen! Das meinte auch Susanne, seine Frau, die mindestens einmal pro Woche ein Paket eines Versandhauses erhält. „Irgendwie ist das ungeheuer praktisch“, sagte Paul, „und wenn es ihr doch nicht gefällt oder nicht passt, schickt Susanne es einfach wieder zurück!“ Abgesehen davon, sei ja im Internet fast alles viel billiger!

So auch die neuen Sommerreifen im Aktionsangebot für schlappe 129 Euro pro Stück. „So viel habe ich nicht bezahlt“, sagte ich vorsichtig. Es stellte sich heraus, dass wir beide diese Marke bevorzugten, und da wir beide das gleiche VW-Modell fahren, auch denselben Reifentyp. Aber ich hatte beim Reifenhändler bloß 109 Euro pro Reifen gelatzt. Paul konnte es nicht fassen und meinte, er wolle künftig stärker auf die Versandkosten achten.