Anwohner und Geschäftsleute aus Winterhude machen gegen die Busbeschleunigung mobil. Senat überarbeitet die Pläne bereits zum dritten Mal

Winterhude. „Das Busbeschleunigungsprogramm wird die gewachsene Struktur des Mühlenkamps zerstören. Kleine Gewerbetreibende werden auf der Strecke bleiben.“ Mit diesen Worten warnt Bio-Bäcker Thomas Effenberger, der eine Filiale am Mühlenkamp betreibt, vor den Folgen des Senatsprogramms. Dieses werde die Einkaufsstraße in Winterhude für sechs Monate zu einer Großbaustelle machen. Außerdem sieht es eine Verkehrsführung vor, die von Anwohnern, Gewerbetreibenden und Bezirkspolitikern heftig kritisiert wird.

Unternehmer Effenberger weiß, wovon er spricht. Gerade erst war sein Laden an der Rutschbahn von den Umbaumaßnahmen zur Busbeschleunigung betroffen. „Das hat neun Monate gedauert und uns die Hälfte unseres Umsatzes gekostet“, so der Bäcker. Es sei bereits das fünfte Mal gewesen, dass Baumaßnahmen der Stadt ihm ein kräftiges Minus beschert hätten. Er habe es jeweils durch seine anderen Filialen auffangen können. „Das ist anderen Unternehmern nicht möglich“, sagt er. „Wer Vielfalt will, muss das Kleingewerbe schützen.“

Sandra Tautges, die im vorderen Teil der Gertigstraße das Modegeschäft „Tragbar“ betreibt, hat große Sorgen. „Mein Laden muss mich und meinen Sohn ernähren. Einen Umsatzrückgang kann ich nicht verkraften.“ Sie hat ein Plakat gegen die Senatspläne gestaltet, zahlreiche Geschäftsleute rund um den Mühlenkamp haben mittlerweile Exemplare davon aushängt. Dass durch die Großbaustelle viele Parkplätze wegfielen, sei nur eines von vielen Problemen, sagt Sandra Tautges. Wie viele andere Anwohner und Gewerbetreibende befürchtet sie auch extreme Nachteile durch die veränderte Verkehrsführung. „Ich wäre von meinen Kundinnen, die aus Richtung der Alster kommen, förmlich abgeschnitten“, sagt sie.

Im Zuge des Busbeschleunigungsprogramms sollen auch die Verkehrsströme im Quartier verlagert werden. Autofahrern, die aus dem Poelchaukamp kommend zur Barmbeker Straße wollen, werden künftig nicht mehr in die Gertigstraße abbiegen können, die dort ansässigen Geschäfte wären nur über Umwege zu erreichen. Die Verkehrsplaner sehen vor, den Durchgangsverkehr stattdessen über die Semperstraße zu leiten. Dort, befürchten die Winterhuder, würde der zunehmende Verkehr die Kinder mehrerer Kitas und einer Grundschule gefährden, außerdem die Besucher des Goldbekmarktes und des benachbarten Spielplatzes. Lastwagen über 5,5 Tonnen sollen die Gertigstraße nicht mehr befahren. „Das ist fatal für viele Gewerbetreibende“, sagt Bernd Kroll von der Initiative „Unser Mühlenkamp“. Handwerks- und Handelskammer haben ebenfalls bereits protestiert.

Bettina Hagen, die mit ihrem Mann Ralph Larouette das Restaurant „3 Tageszeiten“ betreibt, hat kein Verständnis dafür, dass die stadteinwärts liegende Bushaltestelle „Gertigstraße“ auf die Fahrbahn verlegt werden soll. „Dadurch provoziert man, dass hinter den haltenden Bussen ein Rückstau entsteht“, sagt sie. Nicht nur die Verkehrsteilnehmer, auch die Gäste an den Tischen vor ihrem Restaurant hätten das Nachsehen. „Statt viel Geld in ein unsinniges Busbeschleunigungsprogramm zu stecken“, fordert die Gastronomin, „sollte der Zustand der Gehwege und der Verkehrsschilder am Mühlenkamp verbessert werden.“

Auf eine Million Euro werden die Maßnahmen für die Busbeschleunigung allein am Mühlenkamp geschätzt. Das hatte eine Anfrage des CDU-Politikers Andreas Wankum ergeben. Auch dass die Preystraße, bislang eine Einbahnstraße, auf den ersten 50 Meter für den Verkehr aus beiden Richtungen geöffnet werden soll, ist vielen unverständlich. „Da ist das Chaos doch programmiert“, sagt Merle Henning, die dort gerade Räume gemietet hat, um sich als Ernährungscoach selbstständig zu machen. „Ich habe mir gerade diese Straße für meinen Schritt in die Selbstständigkeit ausgesucht“, sagt sie.

Doch jetzt sollen 15 Parkplätze wegfallen. Zudem werden ortsunkundige Autofahrer, die nach 50 Metern plötzlich merken, dass sie nicht weiterfahren dürfen, in der engen Straße wenden müssen. Darüber ist auch Marianne Meinecke empört, die seit sechs Jahren dort wohnt. Sie protestiert mit einem Banner am Balkon – in Winterhude ein ungewöhnlicher Anblick. Doch jetzt wollen die Gegner der Senatspläne sogar auf die Straße gehen. Die Initiative „Unser Mühlenkamp“ hat für kommenden Sonnabend, 11.30 Uhr, zur Demonstration aufgerufen. Sie fordert, zunächst nur unstrittige Punkte des Beschleunigungsprogrammes umzusetzen und die Maßnahmen dann zu evaluieren. Momentan überarbeitet der Senat die Busbeschleunigungspläne für den Mühlenkamp zum dritten Mal. Das Ergebnis soll auf der nächsten Sitzung des Regionalausschusses Eppendorf-Winterhude (17. März, 18 Uhr, Goldbekhaus) vorgestellt und abgestimmt werden. Die CDU-Bezirksfraktion will den Antrag stellen, die Pläne sofort zu stoppen und mit den Bürgern gemeinsam neu zu entwickeln.

Auch die Verlängerung der Buslinie15 soll thematisiert werden. Sie soll im Zuge der geplanten Streckennetzerweiterung von der derzeitigen Endhaltestelle „Alsterchaussee“ bis zum Bahnhof Barmbek fahren, unter anderem durch den Poelchaukamp, wo zwischen Sierich- und Dorotheenstraße eine Bushaltestelle am Fahrbahnrand eingerichtet werden soll.

„Diese bereits heute engen und schmalen Straßen bieten überhaupt keinen Platz für Busse und Bushaltestellen“, sagt der CDU-Abgeordnete Christoph Ploß. Er will mit seiner Fraktion den Antrag stellen, Eppendorf, Harvestehude und Winterhude künftig durch die Wiederbelebung des öffentlichen Nahverkehrs auf der Außenalster besser miteinander zu verbinden.