Zahlreiche Läden schließen in der HafenCity. Es fehlt an Besuchern und Umsatz. Und die Mieten seien mit teils 45 Euro pro Quadratmeter zu hoch.

Hamburg. Sie ist eines der bedeutendsten Stadtentwicklungsprojekte Europas und sollte Hamburgs neuer, lebendiger Stadtteil an der Elbe werden: die HafenCity. Doch der Plan geht offenbar nicht auf, zahlreiche Unternehmer ziehen sich aus dem Quartier zurück. Zum Beispiel Kevin Schütt, Nic Mühlenkamp und Ali Ünsal.

Sie hätten an das Potenzial der HafenCity geglaubt, als sie am Großen Grasbrook ihre Geschäfte eröffneten. Nun müssten sie ihre Läden schließen. Mühlenkamps Saftbar und Ünsals Blumenladen sind bereits dicht, stehen vor der Insolvenz. Seit Donnerstag läuft der Räumungsverkauf in Schütts Optikerladen. Schütt schließt Ende März und wird für die GmbH ebenfalls Insolvenz anmelden: „Insgesamt hat mich das Abenteuer HafenCity 100.000 Euro gekostet“, sagt der Geschäftsmann. „Ich hatte einen langen Atem, aber die Umsätze sind einfach nicht besser geworden“, sagte Schütt. Statt zu einer Flaniermeile zu werden, sei der Große Grasbrook immer weiter verödet.

Allein in der Ladenzeile am Großen Grasbrook 9 stehen, wenn Schütt seinen Laden „Sehkunst“ schließt, fünf der insgesamt 13 Ladenflächen leer. Eine Eisdiele, ein Schuhladen und ein Asia-Restaurant sind längst ausgezogen. Kevin Schütt hat drei Jahre durchgehalten, für Nic Mühlenkamp war im November 2013 Schluss.

Mühlenkamp hatte seinen Saftladen „Boost Juice Bar“ im Juni 2012 eröffnet: „Der Umsatz wurde immer schlechter. Es gibt hier kaum Laufkundschaft und auch die Touristen kommen nur bei gutem Wetter.“ Irgendwann habe er deshalb die Notbremse gezogen: „Dieser Laden treibt mich in die Privatinsolvenz und ich habe einen Zehn-Jahres-Mietvertrag, den ich jetzt natürlich nicht mehr bedienen kann“, sagt Mühlenkamp. Im Februar 2011 hatte Ünsal sein Geschäft „Blume Fresh“ eröffnet: „Die Vermieter haben von einem attraktiven Umfeld gesprochen. Von diversen Geschäften, die hier eröffnen sollen. Aber das Gegenteil war der Fall: Es haben immer mehr dicht gemacht.“ Die HafenCity müsse belebt werden, sagt Blumenhändler Ünsal: „Wenn das Wetter schlecht ist, ist das hier wie in einer Geisterstadt.“ Im Dezember 2013 gab er auf: „Ich habe gekämpft, aber bei den Mietkonditionen von 45 Euro pro Quadratmeter konnte ich nicht überleben.“ Es sei immer wieder über eine mögliche Mietminderung gesprochen worden, aber der Vermieter, Union Investment, habe die Versprechen nie eingehalten. Union Investment will sich nach Angaben des Sprechers Fabian Hellbusch nicht dazu äußern. Mit Ünsal streitet man inzwischen vor dem Amtsgericht.

Der Politik sind die Schwierigkeiten des Einzelhandels bekannt. Der zuständige Bezirksamtsleiter, Mitte-Chef Andy Grote (SPD), macht die zu „geringe Frequenz“ für das Aus vieler Läden verantwortlich. Der Stadtentwicklungsexperte weiß: „Das Problem kann nur behoben werden, wenn Großprojekte wie das südliche Überseequartier endlich realisiert werden und damit mehr Menschen in den Stadtteil kommen.“

Wichtig sei auch, die Attraktivität der HafenCity zu erhöhen und auf diese Weise mehr Menschen für den Stadtteil zu begeistern, so Grote weiter. Einer seiner Vorschläge: „Ein Riesenrad am Wasser, das weit sichtbar ist und so zum Besuchermagnet wird.“

Man müsse die Mieten senken, um die "Durststrecke" zu überwinden

Der Stadtentwicklungsexperte der Grünen, Olaf Duge, spricht von einer „schwierigen Zeit“ für den Einzelhandel in der HafenCity. Das Überseequartier müsse endlich vollendet werden, so dass mehr Kaufkraft in den Stadtteil komme. Duge weiter: „Die Vermieter müssen gemeinsam mit dem Einzelhandel versuchen, diese Durststrecke zu überwinden. Das muss sich auch in den Mietpreisen niederschlagen.“

Doch zunächst wird es womöglich noch trister am Großen Grasbrook. Denn auch Detlev Rickmers, der dort das Reisebüro Helgoländer Botschaft betreibt, ist nicht zufrieden: „Wir haben uns von einem Standort in der HafenCity mehr erhofft. Wer hier nicht als direkter Dienstleister für die umliegenden Büros arbeitet, hat es schwer“, sagt Rickmers. Für den Hotelier steht fest: „Die Hauptattraktion im Viertel ist die Elbphilharmonie. Aber so lange dieses Wahrzeichen noch eine Baustelle und nicht eröffnet ist, warten auch wir vergeblich auf ausreichend Kundschaft.“

Auch das Verhältnis zu Vermieter Union Investment sei schwierig: „Wir haben unseren Vermieter als hartherzig kennengelernt. Gespräche über eine mögliche Mietminderung sind nicht von Erfolg gekrönt gewesen“, sagt auch Detlev Rickmers. Wie es jetzt für sein Reisebüro weitergehen soll? „Wir müssen über den Standort nachdenken“, so Detlev Rickmers.

Unterdessen gibt sich Vermieter Union Investment zuversichtlich, was die Entwicklung des Quartiers betrifft: „Die Nachfrage, insbesondere von Gastronomen, ist vorhanden. Der Große Grasbrook ist der beste Standort der HafenCity und auch für den Einzelhandel attraktiv“, so Sprecher Fabian Hellbusch. Er räumt aber auch ein: „Beim Einzelhandel muss die HafenCity sicherlich noch ein wenig Geduld beweisen. In zwei bis drei Jahren wird sich die Situation schon ganz anders darstellen.“

Dass der Einzelhandel in der HafenCity ein schwieriges Geschäft ist, hat sich schon mehrfach gezeigt: Die Fläche der Internationalen Apotheke am Sandtorkai steht seit 2011 leer. Seit Kurzem ist auch der Laden eines E-Bike-Anbieters geräumt. Auch der Überseeboulevard hatte in der Vergangenheit immer wieder mit Leerständen und Mieterwechseln zu kämpfen. Aktuell steht eine ehemalige Eisdiele leer, in die aber in Kürze ein Fahrradladen einziehen soll. Eine größere Fläche an der Spitze des Überseeboulevards, in der für kurze Zeit ein Modegeschäft angesiedelt war, ist verwaist.

Immobilienexperten sind zuversichtlich, dass die Lage in zwei Jahren besser ist

Immobilienexperte Sven Bechert, Prokurist bei Grossmann & Berger, sagt: „Die HafenCity ist noch nicht vollendet. Deshalb ist auch nicht jeder Standort dort für den Einzelhandel geeignet. Auch der Mietpreis spielt natürlich eine Rolle. Dieser muss so gestaltet sein, dass die Ladeninhaber die Miete erwirtschaften können.“

Insgesamt ist Bechert aber zufrieden: „Wir haben eine gute Nachfrage nach Einzelhandelsflächen.“ Grossmann & Berger hat aktuell die Räume des ehemaligen Weinspeichers B am Kaiserkai vermietet. Dort zieht ein indisches Restaurant ein.

Die HafenCity Universität nimmt zum Semesterbeginn im April ihren Betrieb auf. Auch zahlreiche Wohnungsbauprojekte sind in Planung. Etwa 500 Wohnungen sollen auf dem Grundstück neben der Deutschlandzentrale von Unilever und der Luxuswohnanlage Marco Polo Tower entstehen.