Früher Steak mit Pommes, heute Salat – immer mehr junge Kerle ernähren sich kalorienbewusst. Das ergab eine Uni-Studie mit 1700 Menschen

Der Mann bestellt das XXL-Steak und ordert „gern mehr Pommes“. Die Frau an seiner Seite bestellt einen großen, bunten Salat, „aber bitte ohne Käsestreifen. Und auch kein Ei“. Szenen wie diese spielen sich in Restaurants häufig ab. Doch das Bild ändert sich – gerade bei jungen Menschen. Immer mehr junge Männer achten bei ihrer Ernährung darauf, sich gesund, leicht und natürlich zu ernähren. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) aller Männer bis zum Alter von 29 Jahren gibt an, auf Kalorien zu achten.

Das ist eines der Ergebnisse einer lang angelegten Studie der Hamburger Sozialwissenschaftlerin Dr. Pamela Kerschke-Risch. Sie sagt: „Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Wahl der Ernährung werden bei jungen Männern und jungen Frauen geringer.“ 15 Prozent der jungen Männer bis 29 Jahre essen kein Fleisch. Bei den Frauen verzichten 28 Prozent auf Fleisch. Interessant: Fast alle (94 Prozent) Menschen über 45 Jahren essen Fleisch. Bei Frauen sind es immerhin 90 Prozent.

Die Ernährungsspezialistin hat untersucht, wie sich Männer und Frauen bei der Wahl der Lebensmittel unterscheiden. Die Studie soll „theoretisch fundierte Erklärungen liefern und einen grundlegenden Beitrag zur Soziologie der Ernährung leisten“.

„Ein Thema, das gerade explodiert“, sagt die Diplom-Soziologin. Und das spannende Bereiche hat. Wie viele Frauen verzichten nun auch Männer auf kalorienreiche Kost. „Der Umdenkprozess bei den Jüngeren ist neu. Besonders junge Männer haben heute ein anderes Körperbild von sich. Sie wollen für die Partnersuche attraktiv sein“, sagt die Ernährungssoziologin. Heute gelte es als schick, gesund zu essen.

Wer sich leicht ernährt und auch so aussieht, vermittele nicht nur ein modernes Schönheitsideal, sondern auch ein zeitgemäßes Umweltbewusstsein. „Das Schönheitsideal orientiert sich heute nicht mehr an der Fresswelle der 50er-Jahre, als ein dicker Männerbauch Erfolg symbolisierte“, sagt die Wissenschafterin. Ein dicker Bauch konnte früher mit Geld und Macht wettgemacht werden – heute würde er eher als abstoßend empfunden.

Seit 2012 hat sie nicht nur die Antworten von 1700 Menschen statistisch ausgewertet, sondern auch Dutzende von Interviews geführt, um herauszufinden, wie sich Männer und Frauen ernähren. Eine solche soziologische Untersuchung über Männer und Frauen beim Essen habe es ihrer Kenntnis nach noch nicht gegeben. Viele ihrer Ergebnisse belegen einen seit wenigen Jahren zu beobachtenden Trend hin zur vegetarischen, veganen und „gesunden“ Ernährung. Wer sich vegan ernährt, verzichtet nicht nur, wie der Vegetarier, auf Fleisch, sondern auf alle tierischen Produkte. Veganer essen keinen Honig, trinken keine Milch und tragen keine Lederschuhe.

In Hamburg steigt die Zahl von Restaurants, die vegetarische oder vegane Küche anbieten. Kochbücher darüber erreichen enorme Auflagen. Und der Markt dafür wird immer größer. „Seit ein, zwei Jahren bieten auch Supermärkte vegane Produkte und Speisen an. Das ist nicht mehr der in Lake schwimmende, unattraktive Tofu-Kloß vergangener Tage“, sagt Kerschke-Risch. Heute seien die Produkte schön verpackt und würden dem Käufer versprechen, etwas für die Umwelt zu tun.

An den Veganern zeige sich der Trend besonders gut. „In den 80er-Jahren bei den Punks war Veganismus philosophisch und politisch begründet: Gegen Tierversuche und Massenproduktionsanlagen. Heute hat sich die Botschaft gewandelt. Es ist nicht nur schick, sich so zu ernähren – es wird ein Event draus gemacht“, sagt die Wissenschaftlerin. Man gehe heute wie zum Italiener mal ab und zu vegan essen, um sich gut zu fühlen, weil man etwas für den eigenen Körper getan hat. Vegan ist Lifestyle. Die Werbung würde das fördern. Und es gebe mittlerweile vegane Currywurst. „Selbst auf einer nachgebildeten Hähnchenbrust findet sich eine echt wirkende Kunsthaut.“

Eine weitere Erkenntnis ihrer Arbeit: Die geschlechtsspezifischen Unterschiede sind nicht biologisch bedingt. „Dann hätten wir in allen Altersgruppen die gleichen Unterschiede.“ Das zeige sich besonders bei Döner und Fastfood: 14 Prozent der Männer bis 29 Jahre geben an, Döner „oft“ zu verspeisen. Bei den Frauen sind es nur drei Prozent. Männer ab 45 greifen fast gar nicht mehr zu Döner (nur 2,5 Prozent). Warum ist Fast Food Jungmännersache? „Junge Männer haben ein anderes Freizeitverhalten, sind häufiger außer Haus und abends länger unterwegs. Im Schanzenviertel wird das zum Beispiel deutlich“, sagt die Soziologin. Da würde man schnell zu Fastfood greifen. Und warum mögen Frauen Döner nicht?

Kerschke-Risch: „Knoblauch im Döner gilt bei Frauen als nicht attraktiv. Männer interessiert das häufig wenig.“ Gibt es etwas, das Männer und Frauen bei der Wahl der Lebensmittel verbindet? Ja. Laut Untersuchung schauen 70 Prozent aller Männer und Frauen vor dem Kauf zuerst auf das Mindesthaltbarkeitsdatum.

Alle Prozesse beim Ess- und Kaufverhalten der Menschen verlaufen „schleichend über lange Jahre“. Heute seien noch die Auswirkungen der sexuellen Revolution der 60er- und 70er-Jahre bei der Nahrungswahl zu spüren. „Zur Attraktivität gehören heute auch Fitness und Dynamik. Durch Medien, Sport und die sogenannten Peergroups orientiert sich die Gesellschaft an der Jugend“, sagt Kerschke-Risch. Als „Peergroups“ gelten Gruppen von gleichaltrigen Jugendlichen, die für die einzelnen Mitglieder als soziale Orientierung dienen.

Wichtige Faktoren seien der Preis und die Verfügbarkeit von Nahrung. Die Wahl des Essens sei nicht mehr von Hunger abhängig wie noch bis zum Ende der 50er-Jahre. „In unserer Gesellschaft ist ständig eine unglaubliche Menge von Kalorien verfügbar. Die Geschäfte haben länger offen. Die Angebote in den Tankstellen sind Tag und Nacht verfügbar. Man muss daher nichts bevorraten. Alles ist bequem“, sagt Kerschke-Risch. Hinzu komme, dass der Anteil der Konsumausgaben für Nahrungsmittel drastisch gesunken ist. Heute gibt der Deutsche nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes weniger als 15 Prozent dafür aus. Im Jahr 1900 waren es 57 Prozent und 1980 immerhin noch 20 Prozent.

Auch in diesen Strukturen liege der grundlegende Wandel begründet. Essen sei bequem geworden. „Wer heute vorgibt, aus Zeitmangel zum schnellen Essen zu greifen, hat für sich entschieden: Etwas anderes ist für ihn wichtiger.“