Die Etatansätze für die Offene Jugendarbeit werden nicht erhöht – es drohen Schließungen. Die Sozialbehörde steht vor dem Problem, die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse einhalten zu müssen.

Wandsbek. Das Krisengespräch zur Zukunft der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) bei Sozialsenator Detlef Scheele, SPD, hat aus bezirklicher Sicht keine greifbare Verbesserung ergeben. Die „Rahmenzuweisungen“ an die sieben Bezirke bleiben unverändert. Allerdings hat der Senator die Bezirkspolitiker offenbar überrascht mit der Aussage, dass die aus bezirklicher Sicht gestrichenen „Tarifverstärkungsmittel“ in den Rahmenzuweisungen enthalten und nach Meinung der Sozialbehörde also weiterhin gezahlt wurden.

Die Vorsitzenden der bezirklichen Jugendhilfe-Ausschüsse aus Altona, Harburg, Mitte, Wandsbek und Bergedorf konnten die Beteuerungen ihres Parteifreundes in der Sozialbehörde zwar nicht so recht glauben, hatten aber auch keine überzeugenden Gegenargumente parat, wie es freimütig aus Kreisen der bezirklichen Vertreter verlautete. Man wolle jetzt in den Bezirksämtern prüfen, ob Tarifverstärkungsmittel für die freien Träger der Jugendarbeit im Jahr 2013 tatsächlich gezahlt wurden und ob sie künftig gezahlt werden sollen.

Tarifverstärkungsmittel glichen bisher Gehaltserhöhungen für die Sozialpädagogen aus, die nach Tarifverhandlungen fällig wurden. Werden sie nicht mehr gezahlt, müssen Kürzungen bei Sach- und Honorarausgaben erbringen, was die Tariferhöhungen an Löchern in die Kasse reißen. Nach den Berechnungen der Bezirke würden so Schließungen etwa von Jugendzentren in den nächsten Jahren unvermeidlich werden.

Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer: „Das Geld wurde nicht weggespart, sondern den Bezirken bereits übertragen. Was die Bezirke damit machen, obliegt ihnen selbst. Das war den Gesprächsteilnehmern nicht klar.“ In freundlicher und lösungsorientierter Atmosphäre habe Scheele deutlich gemacht, dass die Sozialbehörde in Einzelfällen bereit sei, auszuhelfen. „Voraussetzung dafür ist, dass auf Bezirksebene alle Optionen zur Vermeidung von Schließungen erfolglos ausgelotet wurden.“

Die jugendpolitische Sprecherin der Wandsbeker CDU-Fraktion, Franziska Hoppermann, warf der Behörde vor, ihre Parteifreunde über den Tisch zu ziehen. „Wir hatten 2013 Tarifverstärkungsmittel beantragt und nicht bewilligt bekommen“, sagte sie. Die Finanzbehörde habe den entsprechenden Topf 2012 aufgelöst und die Restmittel auf die Behörden verteilt. „Teile davon hat die Sozialbehörde auch an die Bezirke weitergereicht. Aber seit 2013 kommt nichts mehr.“

Die Darstellung der Behörde, nach der für die Jugendhilfe mit 42,25 Millionen Euro im Jahr 2013 erheblich mehr zur Verfügung stand als 2011 mit nur 33,5 Millionen Euro, ist für Hoppermann eine Nebelkerze. „Scheele spielt das Konzept der offenen Jugendarbeit gegen das der verbindlichen Angebote aus. Es ist richtig, dass für die sogenannten Sozialräumlichen Hilfen und Angebote mehr Geld da ist. Viele Projekte wurden ganz neu aufgesetzt. Aber es sind Projekte, zu denen sich die Jugendlichen verpflichtend melden müssen. Da kann keiner mal vorbeikommen und mal nicht.“

Letzteres ist der Ansatz der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, die zunächst mit den jungen Leuten in Kontakt kommen will, um daraus eigene Angebote entwickeln bzw. Bedarfe für verbindliche Maßnahmen ermitteln zu können. In diesem Bereich wurden für den Doppelhaushalt 2013/14 zehn Prozent gekürzt. Die Zahlen der Behörde beziehen sich auf alle Projekte von Jugendhilfe. Die offenen Angebote sind nur ein Teil davon.

Behördensprecher Schweitzer sagte, dass „nicht gespart, sondern umgesteuert“ werde. „Alle Träger können weiterarbeiten. Sie müssen aber ihre Angebote anpassen, was zugegebenermaßen Kreativität und Flexibilität erfordert.“

Für Hoppermann geht das am Thema vorbei: Nicht das Überleben der Träger, sondern das Überleben des Konzepts von der offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen müsse im Vordergrund stehen. „Die Träger könnten überleben, ja. Aber nur, wenn sie künftig sozialräumliche Hilfen anbieten, also verbindliche Angebote machen und ihre Idee von Jugendhilfe aufgeben.“ Verbindliche und offene Angebote müssten sich gegenseitig ergänzen und dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Schweitzer sagte, Scheele habe „ein klares Bekenntnis zur offenen Jugendarbeit abgelegt“ und angekündigt, dass die Haushaltsansätze für die Jahre 2015/16 nicht gesenkt würden. Die fraglichen Tarifverstärkungsmittel sind laut Hoppermann von dieser Aussage aber nicht erfasst. Um Tarifsteigerungen auffangen zu können, müssten die Ansätze nach Abschluss entsprechender Tarifverträge mit den Pädagogen 2015 oder 2016 erhöht werden.

Die Sozialbehörde steht vor dem Problem, die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse einhalten zu müssen. Dabei laufen die Kosten für die sogenannten Hilfen zur Erziehung (HzE) davon. Das sind verbindlich zu vereinbarende Maßnahmen, auf die Eltern und Kinder einen bundesrechtlich verankerten Anspruch haben. Die Kosten für HzE sind in den von Schweitzer genannten 42,25 Millionen Euro nicht enthalten. HzE erfolgen in der Regel individuell für nur einen Jugendlichen bzw. ein Kind. Sie sind deshalb sehr teuer, ohne dass die Stadt eine Chance hätte, die Gewährung der Hilfe zu deckeln.

Als Problemlöser sollen jetzt die ebenfalls verbindlichen Sozialräumlichen Hilfen und Angebote Kosten reduzieren. Sie bieten ähnliche Maßnahmen wie HzE für größere Gruppen und deshalb preiswerter an. Das aber beschneidet derzeit die offene Jugendarbeit.