Lehrer sehen aber noch Bedarf für mehr Sozialpädagogen und -psychologen. Auch die Hamburger Elternkammer ist für mehr Betreuung. Es gibt etwas, dass Eltern sich jedoch noch mehr wünschen als kleinere Klassen.

Hamburg. „So kleine Schulklassen wie heute hatte Hamburg noch nie“, hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung der aktuellen Schulstatistik gesagt. Die im „Schulfrieden“ von 2010 vereinbarten niedrigen Frequenzen werden sogar noch unterschritten. In Grundschulen in sozialen Brennpunkten sollen nicht mehr als 19Kinder, in allen anderen nicht mehr als 23 Kinder sitzen. Am Gymnasium liegt die Obergrenze bei 28 Kindern, an den Stadtteilschulen bei 25. Vor wenigen Jahren waren Größen von 30 Kindern keine Seltenheit. Aber wie sinnvoll sind kleine Klassen wirklich? Das Abendblatt hat Schulpraktiker gefragt.

„Der Weg, den die Schulbehörde geht, ist richtig“, sagt Egon Tegge, Schulleiter des Goethe-Gymnasiums in Lurup. Der erfahrene Pädagoge hält es für zwingend erforderlich, dass die Klassen verkleinert wurden. Auch die Gymnasien, für die rund die Hälfte aller Grundschüler Jahr für Jahr angemeldet wird, besuchen mittlerweile Schüler mit einer großen Leistungsbandbreite.

„Wir haben in den fünften und sechsten Klassen eine hoch differenzierte Schülerschaft, was Leistungsbereitschaft und Lernstände angeht“, sagt Tegge. Viele Eltern würden ihr Kind auch ohne eine entsprechende Empfehlung der Grundschulen auf einem Gymnasium anmelden. „Um dieser Situation gerecht zu werden, braucht man mehr Personal“, sagt der Schulleiter. „Kleinere Klassen ermöglichen dem Lehrer generell, stärker auf die individuellen Anforderungen seiner Schüler einzugehen.“ Laut Tegge haben sich die Klassen an seiner Schule im Schnitt um zwei bis drei Schüler in den vergangenen Jahren verkleinert.

Die gültige Obergrenze von 28 Kindern wird dabei unterschritten. „In der Regel sind 26 oder 27 Kinder in einer Klasse“, sagt Tegge. In seltenen Fällen seien es auch 25 Kinder. „Ich halte diese Größen für vernünftig. Noch kleinere Klassen sind aus meiner Sicht nicht nötig“, sagt der Schulleiter. „Wenn man noch mehr in die Qualität der Bildung investieren will, dann wäre eine Aufstockung des Unterstützungspersonals sinnvoll.“ So könnten Sozialpädagogen oder -psychologen für die gezielte Einzelbetreuung von Kindern eingesetzt werden, die wegen ihres Verhaltens aus einer Klasse herausgenommen werden müssen.

Für den Vorsitzenden der Hamburger Elternkammer, Gerrit Petrich, hat auch die „Kleine-Klassen-Initiative“, die 2010 vereinbart wurde, zwei Seiten: „Unbestritten ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer durchschnittlich mehr Zeit für ihre Schülerinnen und Schüler haben und dadurch besser und vor allem individualisierter mit ihnen arbeiten konnten.“ Das habe vor allem in den sozial schwächeren Stadtteilen, in den Stadtteilschulen und an den Grundschulen gut funktioniert.

Was Eltern sich jedoch noch mehr wünschten als kleinere Klassen, wäre eine pädagogische Doppelbetreuung der Kinder, wie sie früher in den Integrativen Regelklassen bestand. Gerade in Grund- und Stadtteilschulen, wo in der Regel ein höherer sonderpädagogischer Förderbedarf besteht als auf Gymnasien, komme es dann weniger auf ein oder zwei Kinder mehr pro Klasse an, sondern vielmehr auf eine intensivere Betreuung. Was einige – betroffene – Eltern zudem ärgert, ist die starre Obergrenze. Sie kritisieren die nicht vorhandene Flexibilität bei Härtefällen.

Starre Obergrenze für Klassengrößen ärgert einige Eltern allerdings

Pit Katzer, Leiter der Erich-Kästner-Grund- und Stadtteilschule in Farmsen sagt: „Im Grundschulbereich sind die kleineren Klassen mit 19 Kindern eine deutliche Erleichterung.“ Nach den Sommerferien wird seine Schule allerdings von KESS 2 auf KESS 3 hochgestuft (KESS-Untersuchungen: „Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern“), dann werden wieder bis zu 23 Kinder in einer Klasse sein. Auch in den Jahrgängen 5und 6 seien die kleineren Klassen tatsächlich eine Verbesserung.

Von einem Gewinn für alle Beteiligten spricht Nina Löb, Schulleiterin der Grundschule Vizelinstraße in Stellingen „Die kleineren Klassen sind auf allen Ebenen ein Vorteil. Ich habe mehr Zeit für die Kinder, es ist mehr Platz im Klassenraum und das multipliziert sich!“, sagt die Pädagogin. Darüber hinaus habe sie auch mehr Zeit für Gespräche mit den Eltern und den Schülern.