Eine Glosse von Jörn Lauterbach

In dieser Woche flatterte auf den Redaktionstisch ein Schreiben eines Konsum-Trendforschers, der – sicherlich ganz unabhängig von der werbetreibenden Wirtschaft – tätig geworden war. Überschrift: „Trendstudie: Sinnstifter Design“. Fazit: „Unsere Singlegesellschaft sucht nach ästhetischer Zugehörigkeit – mittels Lifestyle und Design lassen sich Wunschwelten realgetreu verwirklichen und bieten Halt auf Zeit.“

Was das wohl genau heißen soll? Der Single ist traurig über sein Dasein, kann das aber mittels Lifestyle übertünchen – wenn er dann Champagner durch den Strohhalm trinkt, findet er ein dauerhaft wärmendes Dasein? Mit diesen Gedanken im Kopf ging ich am Abend in ein großes Kaufhaus, Lieblingsetage Erdgeschoss, in dem in etwa auf der Fläche eines 50-Meter-Schwimmbeckens Socken zum Verkauf angeboten werden. Alle Farben, alle Längen, alle Materialien, leider nicht alle Preise. So ab 10 Euro ging es los, ob nun kniehoch oder knöcheltief. Ich lernte: Es geht gar nicht um den Erwerb eines (oder besser doch zweier) Socken. Es geht auch hier wieder um den Halt auf Zeit, und zwar nicht in Wadenhöhe, sondern mittels unserer ästhetischen Zugehörigkeit. Auf dem kleinen Pappschild an den Strümpfen meiner Wahl las ich: „In der Welt des Überflusses und der Massenproduktion sind Qualität und Design entscheidende Faktoren. Wir bieten Produkte, die Ihnen Freude machen und positive Erlebnisse vermitteln“ – eine Aussage mit perfekter Passform.

Da dachten die einfach Gestrickten unter uns noch, es käme nicht darauf an, worin man irgendwohin geht, sondern wohin man überhaupt geht. Aber in unserer Welt ohne Halt auf Zeit ist die richtige Socke vermutlich der letzte Rettungsstrick. Ich habe vier Paar gekauft – und musste feststellen, dass das Kaufhaus den Betrag realgetreu von meinem Konto abbuchte. Und das nicht nur auf Zeit.