Parteien finden keine gemeinsame Strategie gegen Euro-Skeptiker der AfD

Angstmacher haben es leicht in Deutschland. Besonders, wenn es ums Geld geht. Da haben sich dank größtenteils selbst verschuldeter historischer Erfahrungen Inflations- und Enteignungsängste tief in das kollektive Bewusstsein eingegraben. Der Alternative für Deutschland ist es in Zeiten der Euro-Krise gelungen, von diesen diffusen Ängsten zu profitieren. Nicht weil sie, wie sie selbst behauptet, als einzige Partei die Wahrheit in Sachen Euro kennt und auch ausspricht. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass die Inflationsrate in Deutschland niedriger als zu D-Mark-Zeiten ist, Export und Beschäftigung boomen. Nicht trotz, sondern wegen des Euro. Und zur Wahrheit gehört auch, dass niemand sagen kann, wie wir heute mit der guten alten Währung dastehen würden und dass die großen Herausforderungen – von der Konkurrenz zu China über Probleme in Afrika bis zum Verhältnis zu den USA in Zeiten ungezügelter Spionage – nur mit mehr und nicht mit weniger Europa erfolgreich bewältigt werden können.

Nicht allein an der AfD liegt das Unbehagen, sondern weil es schon lange Vorbehalte gegen die Gemeinschaftswährung im Besonderen und gegen die EU ganz allgemein gibt. Unabhängig davon, wie begründet sie im Einzelnen sind, sind sie real – und den anderen Parteien ist es nicht gelungen, sie ausreichend zu entkräften, die Menschen mehr für das europäische Projekt zu begeistern. Schwierige währungspolitische Fragen sind noch schwerer allgemeinverständlich zu erklären. Politische Kompromisse auch. Dieser Mühe haben sich die Regierungen – unabhängig in welcher Konstellation – und Parteien in den vergangenen Jahrzehnten ungenügend gestellt.

Europawahlen wurden meist als weiterer Stimmungstest mit mäßiger Beteiligung zwischen Voten über Landtage und Gemeinderäte wahrgenommen und schnell wieder vergessen. Allzu opportun schien es, bei unliebsamen Themen und Erscheinungen mit dem Finger auf Brüssel zu zeigen und zu behaupten, zu Hause könnte das alles besser geregelt werden. Dabei müssen die Beschlüsse aus der angeblich so übermächtigen europäischen Zentrale von den nationalen Parlamenten und Regierungen bestätigt werden. Und so mancher angeprangerte bürokratische Auswuchs – etwa die oft zitierte Verordnung über die zulässigen Krümmungswinkel von Salatgurken – ist nicht allein kranken Hirnen in Brüssel entsprungen, sondern wurde auf den Wunsch des Gemüsegroßhandels oder in anderen Fällen anderer Lobbygruppen beschlossen.

Bürokratie, gegen die besonders die CSU wettert, ist auch keine speziell europäische Erfindung. Die soll es sogar auch in Bayern geben. Und der EU-Beauftragte für den Abbau überbordender Regelungswut in Europa heißt seit November 2007 Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der Christsozialen. Ansonsten wollen die Bayern mit einem vorläufigen Aufnahmestopp für weitere Kandidaten und einer endgültigen Absage an die Türkei punkten. Um den Einzug der AfD in das Europaparlament zu verhindern, bedarf es aber mehr, als sich als Light-Version derselben zu gerieren.

Für Union und SPD ist es schwer, Wahlkampf aus einer Großen Koalition heraus zu führen, sich für eine gemeinsame Sache einzusetzen und sich dennoch als politische Konkurrenten mit unterschiedlichen Lösungsansätzen zu präsentieren. Das Auftreten der AfD müsste aber für sie Ansporn sein, die gemeinsame Sache in den Vordergrund zu stellen, statt an Einzelerscheinungen herumzumäkeln oder ausschließlich die eigenen Vorhaben zu präsentieren. Gelingt ihnen das nicht, müssen sie sich mit den Argumenten der AfD in der kommenden europäischen Legislaturperiode auch parlamentarisch auseinandersetzen. Ein vermeidbarer Kratzer am Lack der Euro-Befürworter.