Aber nötiger als Militäraktionen braucht Afrika ein politisches Konzept

Afrika – ein Kontinent zum Verzweifeln: Bürgerkriege, Krankheiten, Korruption, Missmanagement, unfähige und oft grausame Despoten an der Macht, die schon jeden gut gemeinten Rat als neokolonialistische Einmischung brandmarken. Jahrzehnte der Entwicklungshilfe in ihrer unterschiedlichsten Ausprägung – ob als Geldüberweisung, Hilfe zur Selbsthilfe oder Handreichung zur besseren Regierungsführung angelegt – sind folgenlos verpufft. Statt Fortschritts greift Islamismus um sich, taumeln als relativ stabil geltende Staaten wie Mali unversehens ins Chaos. Jetzt auch die Zentralafrikanische Republik.

Aber verzweifeln und sich heraushalten ist keine Option, schon wegen der einen Milliarde Menschen nicht, die den Kontinent bevölkern. Auch sie haben ein Recht auf ein würdiges Leben und auf ein Streben nach Glück. Das können sie nicht alle in Europa oder Nordamerika finden. Ihnen eine Perspektive in der eigenen Heimat zu eröffnen liegt also auch in unserem Interesse. Zumal das auch bessere Möglichkeiten wirtschaftlicher Zusammenarbeit bieten würde als bisher.

Dazu fehlen allerdings ganz entschieden geeignete Konzepte. Weder die EU noch die USA oder der neue globale Mitspieler China haben eine erkennbare Strategie, wie sie mit dem Kontinent perspektivisch umgehen wollen. Außer der, zuzusehen, wie sie ihre wirtschaftlichen Interessen in Konkurrenz zu anderen wahrnehmen können – ob es nun um Öl und Gas in Nord- oder Westafrika geht, um Uran im Niger, Diamanten, Edelmetalle, Seltene Erden oder Anbauflächen für Agrarprodukte und Fischgründe vor den Küsten. Das bereichert die korrupten einheimischen Eliten, treibt weitere Bevölkerungsschichten ins Elend und macht so junge Männer zum Rekrutierungsreservoir von Rebellengruppen und Milizen aller Art. Die Spirale der Gewalt dreht sich so unentwegt weiter.

Militäreinsätze können dann allenfalls das Schlimmste verhindern. Im Gedenken an den Völkermord in Ruanda, der vor 20 Jahren unter den Augen der Weltöffentlichkeit seinen schrecklichen Verlauf nahm, wäre die Verhinderung eines solchen in Zentralafrika immerhin schon ein bedeutender Fortschritt. Ein paar Fallschirmjäger der Fremdenlegion, unterstützt vor Ort von Einheiten der Afrikanischen Union und mit logistischer Unterstützung der Bundeswehr via Mali, könnten zumindest ausreichen, um in der Hauptstadt Bangui so etwas wie Sicherheit und Ordnung herzustellen. Das Ganze trägt allerdings lediglich den Charakter französischer Feuerwehraktionen, denen andere dann nolens volens im Namen der EU und wegen der Gesichtswahrung hinterherstolpern. Das Land oder gar den ganzen Kontinent wird das aber nicht voranbringen.

Deutschland muss sich dabei nicht dafür schämen, mit militärischen Einsätzen nach wie vor zurückhaltend zu sein. Das lehrt uns nicht nur die eigene Geschichte des 20. Jahrhunderts, das lehren auch die Kriege und deren Folgen in Irak, Afghanistan und Libyen. Die dauerhaften Erfolgsaussichten kriegerischen Eingreifens wären in Afrikas Mitte gewiss nicht größer als in den genannten Ländern.

Allerdings ist Deutschland nicht nur in Sachen Militär zurückhaltender, als es mancher Verbündeter einfordert. Auch in Berlin gibt es keinen Afrika-Plan und niemanden, der willens und in der Lage wäre, eine politische Perspektive für den Kontinent zu eröffnen und dafür offensiv zu werben.

Das aber kann von einer wirtschaftlichen und dementsprechend politisch bedeutsamen Nation erwartet werden. Gute Gründe gegen Waffeneinsätze gepaart mit einer restriktiven Flüchtlingspolitik vorzubringen reicht nicht. Das macht uns bei unseren Verbündeten in der EU und jenseits des Atlantiks nicht glaubwürdiger und hilft auch keinem einzigen Menschen in Afrika.

Der Autor ist Leiter der Politikredaktion des Abendblatts