Mit seinem Vorstoß zum Rückkauf der Roten Flora setzt Olaf Scholz ein richtiges Signal

Olaf Scholz gilt als cleverer Handwerker der Macht: Doch in den vergangenen Tagen lief, gelinde gesagt, nicht alles rund für den Hamburger Senat. Die Nachrichten, die aus der Hansestadt kamen, erschütterten das Bild einer ordentlich regierten Metropole. Erst verwandelte sich eine Demonstration in eine Straßenschlacht, dann machten Unbekannte Jagd auf Polizisten. Plötzlich erinnerte die Stadt an das Hamburg des Jahres 2001, als erst die innere Sicherheit verloren ging – und dann die Bürgerschaftswahl für die SPD.

Dieses Mal reagierte die Politik rasch: Das Gefahrengebiet sollte zur Demonstration der Stärke des Rechtsstaats werden – und wurde mehr und mehr zu einem Symbol seiner Schwäche. Feixende Demonstranten mit Klobürsten und Küchenkräutern in den Taschen und Räuber-und-Gendarm-Attitüde mögen danebenliegen, aber sie haben viele Sympathien gewonnen. Und das ist viel im Kampf um Stimmung und Stimmungen. Für die Polizei ist es doppelt bitter – nach den brutalen Angriffen auf Beamte am 28. Dezember baute sich eine Solidaritätswelle auf, die an den Ulk-Auftritten der Demonstranten gebrochen ist. Die überfällige Debatte um Gewalt wurde inzwischen von der Debatte um das Gefahrengebiet in Teilen überlagert. Keine Frage, die Macht der Bilder hat den SPD-Senat bundesweit in die Defensive gedrängt.

Nun wagt sich der Bürgermeister in die Offensive. Er will die Rote Flora unbedingt vom Eigner Klausmartin Kretschmer zurückkaufen, der das einstige Varieté-Theater 2001 als Kulturinvestor erwarb und nun als Spekulant vergolden will. Dabei pocht der Senat auf ein Rückkaufsrecht. Juristisch mag das fragwürdig sein, politisch ist es fraglos richtig. Der Vorstoß am Dienstag auf der Landespressekonferenz soll das Bild des Hardliners, des roten Sheriffs, des politischen Dickkopfs korrigieren. Auch wenn diese Metaphern dem Bürgermeister zu Unrecht umgehängt wurden, er muss sie zu korrigieren suchen.

Auch in der Sache liegt der Bürgermeister richtig. In der Stadt gibt es derzeit keine relevante Kraft geschweige denn eine politische Mehrheit für die Räumung der Roten Flora. Dies liegt weniger an den Sympathien für die überschaubare inhaltliche Arbeit des sogenannten Kulturzentrums als vielmehr an der guten wie identitätsstiftenden Hamburger Toleranz. In dieser Metropole gilt seit Jahrzehnten das Prinzip, dass jeder nach seiner Façon selig werden kann. Man muss die Rote Flora nicht mögen noch ihre Parolen teilen – eine Stadt wie Hamburg aber bedarf eines Stachels im Fleisch, bedarf der Reibung, die aus gegensätzlichen Positionen kommt. Eine weltoffene Stadt kann eine Flora aushalten. Das mag mitunter – gerade angesichts der Bilder von der Gewaltdemonstration – schwerfallen. Und doch ist Hamburg damit in der Vergangenheit gut gefahren. Der Hausbesetzerszene der 70er-Jahre verdankt die Stadt den Erhalt ganzer Gründerzeitstraßen; den Hafenstraßen-Aktivisten eine Korrektur der Stadtentwicklung. 1987 war es undenkbar – heute aber ist man froh, dass die Hafenstraße gerettet wurde. Zumal die Alternative fatal gewesen wäre. Eine Räumung der besetzten Häuser hätte eine Eskalationsspirale in Gang gesetzt.

Genau deshalb liegt Scholz richtig, wenn er in der aufgeheizten Atmosphäre ein klares Signal der Deeskalation setzt. Nun sind die Besetzer der Roten Flora gefragt, die sich glaubwürdig und ohne Hintertür von Gewalt distanzieren und lossagen müssen. Und Besitzer Kretschmer ist am Zug. Er pocht verständlicherweise auf sein Eigentum. Doch zugleich sollte er nicht vergessen, dass Eigentum verpflichtet. „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, heißt es im Grundgesetz. Für einen etwas besseren Preis darf er den inneren Frieden nicht aufs Spiel setzen.