Eine Glosse von Alexander Schuller

Spüren Sie es auch? Dieses unerklärliche, wenn auch wohlige Gefühl um den Bauchnabel herum? Und dieser Elan, mit dem Sie frühmorgens frohgemut aus dem Bett hüpfen, um sich ausgeruht dem Tagwerk zu widmen? Nun, das nennt man, grob zusammengefasst, Frühlingsgefühle. Und das ist überhaupt nicht witzig, leider.

Was nämlich auf den ersten Blick einen positiven Anschein besitzt, bewertet die moderne Wissenschaft längst als gefährlich: Denn der Mensch, dessen komplexer Organismus seit Jahrtausenden auf möglichst feste Essens-, Arbeits- und Abführzeiten getrimmt sei, so die Klimabiologen der Fernuniversität von Maribor, benötige zur genauen Orientierung vor allem zuverlässig verlaufende Jahreszeiten. Dabei gilt für unsere Breitengerade die Faustregel: Herbst und Winter kühl und feucht, Frühling und Sommer kühl und feucht.

Wie nämlich ungewöhnliche Hitzeperioden allein schon die Tierwelt durcheinanderbringen, können Sie zurzeit in den städtischen Grünanlagen beobachten: Da liefern sich verwirrte Igel mit paarungswilligen Wildkaninchen packende Laufduelle, Eichhörnchen steppen in Dreierreihen auf ausgetrockneten Ästen herum, anstatt sich Wintervorräte anzulegen, und die heimischen Vögel zwitschern munter zur Balz. Das potenziert jedoch die Gefahr eines verfrühten Burn-out-Syndroms um ein Zehnfaches – auch beim Menschen!

Zum Glück gibt es jedoch die Bewahrer des Winters, die allen Klimageschädigten dank farbenfroher Lichtinstallationen an Balkongittern und hinter Wohnzimmerfenstern nach wie vor ins Gedächtnis rufen, in welcher Jahreszeit wir uns kalendarisch, nicht gefühlt, befinden. Ein kurzer Blick auf Rentierschlitten, die durch Schneelandschaften gleiten oder auf Weihnachtsmänner, die auf eisigen Dächern herumklettern, genügt, um den menschlichen Organismus sofort für mindestens 24 Stunden in den gesünderen, weil natürlichen Wintermodus umzuschalten. Zusätzlich raten die Experten, die Entsorgung Ihres Christbaums frühestens für Ende April anzupeilen – nach Ostern.