Facebook-Seite zur Unterstützung der Davidwache sammelt binnen Tagen fast 50.000 Unterstützer

Hamburg. Es ist der Nachmittag des 29. Dezember 2013. Draußen wird es schon wieder dunkel, aber Andreas Hallaschka kann das egal sein. Er sitzt bei sich zu Hause im Keller, wo der Chefredakteur des Reisemagazins „Merian“ gerade an einer Biografie über den Schauspieler Armin Mueller-Stahl schreibt. Zwischendurch wirft der 51-Jährige einen Blick auf Facebook und sieht die Meldung von Abendblatt und „Welt“: „Randalierer brechen Polizisten Kiefer“. Darin wird über die Attacke auf die Davidwache berichtet, bei der einer der Angreifer einem Polizisten aus nächster Nähe einen Stein ins Gesicht geworfen und ihm so Nase und Kiefer gebrochen hat. „Erst habe ich nur auf meiner eigenen Facebook-Seite geschrieben, wie schlimm ich das finde“, sagt Hallaschka. „Aber nachdem ich ein paar Minuten weiter an dem Buch gearbeitet hatte, dachte ich: Nee, das reicht nicht. Jetzt machst du eine Facebook-Seite zur Solidarität mit den Polizeibeamten und bittest deine 380-Facebook-Freunde um ein ‚Gefällt mir‘. Wenn am Ende 100 mitmachen, dann ist das ein tolles Zeichen.“

Mit dieser Einschätzung allerdings liegt er vollkommen daneben. Schon wenige Stunden, nachdem die Seite „Solidarität mit den Beamten der Davidwache“ geschaltet ist, haben mehrere tausend Facebook-Nutzer den „Gefällt mir“-Knopf gedrückt. Am Nachmittag des folgenden Tages sind es 10.000, am Freitag hatte die Seite bereits rund 48.000 Unterstützer. Menschen aus Hamburg und weit darüber hinaus zeigen mit „Likes“ und Kommentaren ihre Solidarität mit den attackierten Polizisten. Und sie diskutieren. Dabei geht es zum Teil sehr hitzig zu, mancher fordert die Todesstrafe für die Täter, andere kritisieren die Solidaritäts-Seite als einseitig, weil es nicht auch um Polizeigewalt gehe. Als Hallaschka, dessen Bruder Steffen das Fernsehmagazin „Stern TV“ bei RTL moderiert, sich nach ein paar Tagen mit einem längeren Text namentlich als Gründer der Solidaritätsseite outet, wird er auch persönlich bedroht. „Aber das kann ich ertragen“, sagt der engagierte evangelische Christ, der viele Jahre Mitglied der SPD gewesen ist. So viel Zivilcourage müsse man aufbringen, habe er sich gesagt. In Ton oder Inhalt bösartige Kommentare löscht er rigoros, aber abweichende Meinungen haben auch auf seiner Seite einen Platz.

„Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen das Gefühl verloren haben, was geht und was nicht mehr geht“, sagt der Vater von vier Kindern. „In einer Gesellschaft, die solche Gewalt wie zuletzt in Hamburg einfach achselzuckend hinnimmt, kann es ganz schnell zu einer gefährlichen Gegenentwicklung kommen. Dann regiert irgendwann eine Kopf-ab-Mentalität und es ist vorbei mit Augenmaß und Freiheit.“ Die Menschen müssten wieder lernen, das Recht der Andersdenkenden, aber auch der Anderslebenden zu respektieren. In einer Stadt müsse Platz für alle sein, auch für Bauwagenbewohner. Nur für Gewalt dürfe es keinen Platz geben, schon gar nicht gegen die Polizei. „Sei anständig, trage den Kopf hoch und respektiere die anderen!“, das habe er von seinen Eltern gelernt, sagt Hallaschka. Und dafür setze er sich auch noch heute ein.

Mittlerweile hat der Journalist viele Mails aus ganz Deutschland bekommen. Polizisten danken ihm, und viele Hamburger haben ihn bereits aufgefordert, die Internet-Aktion ins echte Leben zu überführen. An Neujahr hat Hallaschka bereits an der Mahnwache gegen Polizeigewalt auf dem Rathausmarkt teilgenommen und auch den vor der Davidwache verletzten Polizisten getroffen. Nun denkt er darüber nach, eine Volksinitiative ins Leben zu rufen. Oder einen Runden Tisch. „Wir müssen endlich eine vernünftige Lösung für die Flora, aber auch die Esso-Häuser finden“, sagt er. „Die Politik tut bei diesen Themen seit Jahren zu wenig. Deswegen müssen wir die Regierenden notfalls mit einer Volksinitiative zu ihrem Glück zwingen.“ Er freue sich jedenfalls „über die tolle Resonanz und die vielen Stellungnahmen, auch von Menschen, die der Polizei überhaupt nicht nahe stehen und sich klar von Gewalt distanzieren“, sagt Andreas Hallaschka. „Das macht ja auch Hoffnung.“