Verwaltungsgericht gibt Klage eines Schwerverbrechers statt. Bis zu 16 Beamte observieren ihn in Moorburg

Hamburg. Im Februar 2012 war der frühere Schwerverbrecher Jens B. aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden. Seitdem wird der 52-Jährige, der noch immer als äußerst gefährlich gilt, zu jeder Tageszeit von mindestens vier Polizisten bewacht.

16 Beamte sind nötig, um das Aufgebot stellen zu können. Der Mann, der wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung lange im Gefängnis saß, wohnt in einem alten Bauernhaus in Moorburg, das die Stadt aufwendig ausbauen ließ – samt Wohnungen für weitere ehemalige Schwerverbrecher und Räumen für die Polizisten. Nachdem sich jedoch bereits andere Ex-Sicherungsverwahrte erfolgreich gewehrt hatten, nach Moorburg ziehen zu müssen, könnten bald auch die Polizistenbehausungen leer bleiben – wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig würde und die dauerhafte Bewachung des 52-Jährigen aufgehoben werden müsste.

Wie sich bereits bei einem Verhandlungstermin im November angedeutet hatte, bezweifelt das Gericht die Rechtsgrundlage für die Dauerobservation und gab der Klage des Mannes statt. Das Urteil war in mündlicher Verhandlung bereits Ende November gefällt worden. Noch steht allerdings die Begründung des Gerichts aus, die erst in mehreren Tagen, wenn nicht Wochen, erwartet wird. Liegt diese dann vor, will die Innenbehörde entscheiden, ob sie gegen das Urteil Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht einlegen wird.

Bis dahin soll sich aber an der Bewachung von Jens B. nichts ändern. „Wir haben keinen Anlass, die Maßnahme einzustellen“, sagte eine Sprecherin der Innenbehörde. Wie das Abendblatt erfuhr, ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass die Stadt gegen die Entscheidung vorgehen wird. Die Polizei stützt sich bei der Dauerüberwachung auf Polizeirecht, das sogenannte Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG). „Ermittlung des Aufenthalts“ heißt die Maßnahme, die vom Polizeipräsidenten angeordnet wird.

Nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts, wonach Sicherungsverwahrung nicht nachträglich auf unbestimmte Zeit verlängert werden dürfe, hatten bundesweit ehemalige Schwerverbrecher freigelassen werden müssen, die ihre reguläre Haftstrafe abgesessen hatten.

Viele von ihnen werden überwacht. Wie Jens B., der unter anderem mehrere Kinder missbrauchte, haben auch in anderen Bundesländern Ex-Sicherungsverwahrte gegen ihre Bewachung geklagt, teils mit Erfolg: Der Kläger habe „einen Bereich autonomer privater Lebensgestaltung auch außerhalb seiner häuslich privaten Sphäre“, urteilte etwa das Verwaltungsgericht Freiburg im Februar zugunsten eines 53-jährigen verurteilten Vergewaltigers.