Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch über den Boom der regenerativen Energien, die anstehende Elbvertiefung und die gefährdete Bürgschaften für Hamburgs älteste Werft Sietas.

Hamburg. Es war ein turbulentes Jahr 2013 für die Hamburger Wirtschaft. Die Elbvertiefung lässt weiter auf sich warten. Hamburgs älteste Werft Sietas fährt auf gefährlichem Schlingerkurs. Und die traditionsreiche Baumarktkette Max Bahr verschwindet vom Markt. Aber nicht nur Negatives gab es zu vermelden. Der Luftfahrtstandort Hamburg wächst weiter kräftig, der Flughafen vermeldet immer mehr neue Ziele für Reiselustige aus der Hansestadt und dem Umland. Zudem entwickelt sich Hamburg zu dem europäischen Zentrum der Windkraftindustrie. Über Mangel an Arbeit konnte sich Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) 2013 also nicht beklagen. Das Abendblatt traf den Politiker und studierten Ingenieur in seinem Büro in der Wirtschaftsbehörde am Alten Steinweg. Neben Arbeitsmarkt, Hafen, Luftfahrt und dem Ende von Max Bahr ging es auch um Horchs berufliche Zukunft über das Jahr 2014 hinaus – und um die Frage, welchen Einfluss ein einzelner Politiker heute noch in der globalen Welt der Wirtschaft hat.

Hamburger Abendblatt: Herr Senator, wie fällt Ihr Jahresfazit für die Hamburger Wirtschaft 2013 aus?

Frank Horch: Ich denke, wir haben ein gutes Jahr hinter uns. Die Umschlagzahlen im Hafen nähern sich dem Niveau von vor der Schifffahrtskrise. Die Arbeitslosenquote ist im Jahresdurchschnitt so niedrig wie seit Langem nicht mehr. Das Wachstum insgesamt liegt über dem Bundesschnitt. Wir verzeichnen eine sehr gute Entwicklung im Flugzeugbau und am Flughafen. Und der Zukunftsbereich regenerative Energie wird immer mehr zum Arbeitsplatzmotor in der Stadt.

Bei allen guten Nachrichten stockt das wichtige Projekt Elbvertiefung. Nun verhandelt das Bundesverwaltungsgericht erst Mitte 2014 über die Klagen der Gegner. Muss die Stadt sich Fehler vorwerfen lassen?

Horch: Ich sehe bei der aktuellen Regierung keine Versäumnisse. Wir haben wirklich viel unternommen und viel erreicht, um das Verfahren zu beschleunigen. Es gab nicht nur Gespräche mit den Umweltschützern und den Elbanrainern. Wir haben auch ergänzende Unterlagen für das Gericht erarbeitet.

Gab es politische Versäumnisse bei den Vorgängerregierungen?

Horch: Sicherlich ist beim Thema Elbvertiefung damals nicht alles optimal gelaufen. So hätte man aus meiner Sicht alle Betroffenen stärker am Entscheidungsprozess beteiligen sollen. Aber das ist die Vergangenheit, an der wir nichts mehr ändern können. Ich möchte lieber nach vorne blicken.

Wie ist Ihre Prognose: Wann kann mit der Elbvertiefung begonnen werden? Noch im Jahr 2014?

Horch: Einen genauen Termin kann ich nicht nennen, da ich dem Urteil des Gerichts nicht vorgreifen kann. Allerdings hoffe ich zumindest auf einen schnellen Baubeginn bestimmter Maßnahmen wie dem Bau der sogenannten Begegnungsboxen. Denn sie sind besonders dringlich für den Hafen.

Und wenn die Gegner gewinnen, die Elbvertiefung untersagt wird?

Horch: Davon gehe ich nicht aus.

Nicht nur die Elbvertiefung bereitet der Wirtschaft Sorgen, auch Hamburgs älteste Werft Sietas steht vor dem Aus. Letzte Hoffnung ist der chinesische Stahlbaukonzern ZPMC. Wie groß sind die Rettungschancen?

Horch: Sietas hat eine schwierige Zeit hinter sich. Die Werft hat sich vom Hersteller von Containerschiffen zum Hersteller von Spezialschiffen für die Offshore-Windindustrie entwickelt. Und die Stadt Hamburg und der Bund haben ihr mit Bürgschaften dabei geholfen. Der chinesische Stahlkonzern wäre ein guter Partner für Sietas.

Klappt die Übernahme noch in diesem Jahr?

Horch: Das wäre sehr ambitioniert.

Die Stadt ist mit Bürgschaften bei Sietas engagiert. Wie viel staatliches Geld ist bei Sietas bereits verloren?

Horch: Hamburg und der Bund haben für Sietas mit insgesamt rund 83 Millionen Euro gebürgt. Zu einer Inanspruchnahme in voller Höhe wird es aber nicht kommen, weil unter anderem Anzahlungen für Schiffsneubauten verbürgt wurden und durch die Fertigstellung von Schiffen diese Bürgschaften nur teilweise eingelöst werden mussten. Im Übrigen sind auch Erlöse aus für die verbürgten Kredite bestellten Sicherheiten zu berücksichtigen.

Wie viel Geld könnte denn maximal verloren gehen?

Horch: Hamburg hat für 34 Millionen Euro gebürgt. Ich denke, dass im schlimmsten Fall ein Betrag von 17,4 Millionen Euro zu leisten sein wird; bisher hat Hamburg davon rund zwölf Millionen Euro gezahlt.

Die Prognosen für das Umschlagwachstum im Hafen sind nicht mehr zu halten. Sie lassen neue Prognosen erstellen. Müssen Sie den Hafenentwicklungsplan ändern?

Horch: Nein, keinesfalls. Unsere Politik im Hafen geschieht mit Augenmaß und bedarfsgerecht. Das zeigt beispielsweise unser Umgang mit dem mittleren Freihafen. Es war richtig, dem Hafenunternehmen Buss vorübergehend einen neuen Vertrag zu geben. Warum sollen wir ein erfolgreiches Unternehmen dort umsiedeln, solange wir die Flächen noch nicht brauchen? Der Hafenentwicklungsplan lässt eben Raum für Eventualitäten in der Entwicklung.

Hapag-Lloyd verhandelt jetzt mit der chilenischen Reederei CSAV über eine Zusammenarbeit. Damit würde sie in direkte Konkurrenz zu Hamburg Süd treten, die sich auf Südamerika spezialisiert hat. Wie stehen Sie dazu, wenn eine mit Staatsgeldern gestützte Reederei einer anderen Hamburger Reederei das Wasser abgräbt und so Jobs gefährdet?

Horch: Eines schicke ich vorweg. Die sinnvollste und beste Variante wäre ein Zusammenschluss von Hapag-Lloyd und Hamburg Süd zu einer starken Hamburger Reederei. Dieses lässt sich vorerst nicht realisieren, mit anderen Möglichkeiten hat sich der Senat noch nicht befasst. Zu den konkret von Ihnen angesprochenen neuen Verhandlungen mit CSAV vermag ich nicht zu urteilen, da ich die Modalitäten nicht kenne.

Über Monate hinweg haben viele Hamburger mit Fassungslosigkeit den traurigen Niedergang der Hamburger Baumarktkette Max Bahr verfolgt. Sie haben sich aktiv in den Prozess eingebracht. Was konnten Sie als Politiker machen, und warum hat es letztlich nichts gebracht?

Horch: Ich habe unter anderem mit den potenziellen Käufern und dem Insolvenzverwalter gesprochen, Hilfsmöglichkeiten ausgelotet. Allerdings konnten wir nicht mit Geld unter die Arme greifen, dagegen steht auch das Beteiligungsrecht, an das wir uns halten müssen. Leider ist der Name Max Bahr nicht zu retten gewesen. Aber wir konnten zumindest dabei helfen, dass viele Filialen übernommen und unter neuem Namen weitergeführt werden. Am Ende ging es uns um die Rettung von Arbeitsplätzen.

Blickt man in Ihr Büro, dann schaut man auf insgesamt fünf Schiffsmodelle und nur eine Flugzeugminiatur. In der Stadt gelten Sie vielen als Hafensenator. Kümmern Sie sich zu einseitig um maritime Belange?

Horch: Die Modelle stammen noch aus meiner vorherigen Tätigkeit bei Blohm + Voss. Die Themen Elbvertiefung und Schiffbaukrise sind ständig in den Schlagzeilen. Aber ich versäume es nicht, in nahezu jeder meiner Reden den besonders erfolgreichen Luftfahrtstandort, den Standort der erneuerbaren Energien oder den Innovationsstandort Hamburg zu erwähnen. Ich verstehe mich als Senator für alle Unternehmen.

Schauen wir auf das kommende Jahr. Was erwarten Sie 2014 mit Blick auf Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit?

Horch: Ich glaube, dass sich die Zahl der Arbeitslosen auch im kommenden Jahr um den aktuellen Wert bewegen wird. Beim Wachstum gehe ich davon aus, dass wir etwas besser als der Bund abschneiden. Deshalb halte ich 2014 ein Wachstum von fast zwei Prozent für machbar.

Hamburg engagiert sich stark in den Bereichen erneuerbare Energie und Elektroautos. Sind dies für Sie die beiden zentralen Zukunftsmärkte?

Horch: Wir sehen bei den erneuerbaren Energien einmal mehr, dass sich die Clusterstrategie der Hamburger Politik bewährt, die Konzentration von Themen, Hochschulen, Forschungsinstituten in gewissen Industrie- und Dienstleistungsbranchen, die wir für die Stadt als strategisch bedeutend betrachten. Die erneuerbaren Energien bilden das jüngste dieser Cluster. Die Metropolregion Hamburg und der Unterelberaum haben sehr gute Möglichkeiten, bei der Energiewende in Deutschland eine führende Rolle einzunehmen. Auch Hamburgs Position bei der Elektromobilität werden wir deutlich ausbauen. Im Norden gibt es ein riesiges Potenzial an Windkraft. Wenn diese Energie in einigen Jahren besser speicherbar sein wird – sei es in Batterien oder in Form von Wasserstoff – können wir hier vor Ort den Kraftstoff und den Strom für die Mobilität der Zukunft erzeugen.

Sind in diesen Bereichen 2014 Neuansiedlungen von Unternehmen in der Stadt zu erwarten?

Horch: Ich rechne fest mit weiteren Ansiedlungen vor allem von Unternehmen, die sich mit den erneuerbaren Energien beschäftigen. Die Offshore-Windkraft vor den deutschen Küsten soll deutlich ausgebaut werden, bei Windkraft an Landstandorten wird sich in den kommenden Jahren vieles auf die attraktiven Standorte an den Küsten konzentrieren. Diesen Aufschwung wird Hamburg aktiv begleiten.

Der Norden könnte speziell beim Ausbau der Windkraft noch deutlich geschlossener auftreten, das tun die Küstenländer aber nicht. Warum fällt es dem Norden oft so schwer, seine Interessen zu bündeln und populär zu formulieren, sei es bei großen Verkehrsprojekten, einer besseren Abstimmung der Häfen oder bei Industrieprojekten?

Horch: Bei der Entwicklung der Unterelberegion oder bei den erneuerbaren Energien wird man in den kommenden Jahren sehr deutlich sehen, was der Norden über Landesgrenzen hinweg gemeinsam zustande bringt. Bei den Kooperationen hat sich in den vergangenen drei Jahren enorm viel bewegt. Es muss sicher noch mehr geschehen. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Küstenländern, und es wird hier auch immer Konkurrenz zum Beispiel bei der Ansiedlung von Unternehmen geben.

Im kommenden Jahr beginnt bereits der Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl 2015. Würden Sie gerne eine weitere Legislaturperiode Senator bleiben?

Horch: Wenn meine Gesundheit und die äußeren Umstände es zulassen, kann ich mir gut vorstellen, in der kommenden Legislaturperiode weiterzumachen. Es war durchaus herausfordernd, mich als Quereinsteiger in die sehr speziellen Verhältnisse der parlamentarischen Arbeit in Hamburg und in die Gepflogenheiten einzufinden. Aber mittlerweile fühle ich mich richtig wohl.