Sotheby’s erzielt in Kunstauktionen Millionenumsätze. In Hamburg können Objekte vorbesichtigt werden. Käufer und Verkäufer bleiben anonym.

Hamburg. Wer einen Termin beim Firmensitz von Sotheby’s in Hamburg hat, muss zunächst einmal an einigen Sicherheitsbediensteten vorbei. An der Straße patrouillieren die Polizisten, welche das Türkische Konsulat in der Nachbarschaft in Harvestehude bewachen, dann geht es zu einer Villa in der zweiten Reihe, die von der Straße nicht einsehbar ist, und wiederum an Männern vom Sicherheitsdienst vorbei.

Der Schatz, den sie bewachen, verbirgt sich im ersten Stock, in einem schlichten Raum mit einigen Vitrinen auf hellbraunem Parkett: An der Wand hängen Werke von Caspar David Friedrich, Claude Monet und Ernst Ludwig Kirchner, Kunst des Impressionismus und der Klassischen Moderne im Millionenwert. In den Vitrinen funkeln Juwelen aus den 30er- bis 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, aus dem Besitz bekannter internationaler Industriellenfamilien, auch diese Schätze erreichen Werte mehrerer Einfamilienhäuser.

Gerade kommt eine Interessentin herein und Katharina zu Sayn-Wittgenstein, Leiterin von Sotheby’s Hamburg, führt sie freundlich herum. Vor allem bei den Gemälden ist die studierte Kunsthistorikerin in ihrem Element, bei den Diamanten bringt auch Brett O’Connor sein Fachwissen ein. Der Kenner edler Steine ist eigens aus Genf angereist und macht in englischer Sprache einige Bemerkungen zu den Broschen, Colliers und Ringen von Cartier oder Van Cleef & Arpels.

Die Vorbesichtigung mit Stücken der nächsten Auktionen, die an diesem Tag bei Sotheby’s in der Tesdorpfstraße Kunden und Kunst zusammenbringen soll, ist nur eine von mehreren solcher Veranstaltungen im Jahr. Dabei werden regelmäßig Millionenwerte nach Hamburg gebracht, hoch versichert und bestens bewacht werden dann in der Hansestadt Werke präsentiert, welche die Öffentlichkeit sonst höchstens im Museum bestaunen kann. Standorte wie Hamburg vermitteln damit Kunden für die Auktionen, die beispielsweise in London oder Genf stattfinden.

Mit der Internationalisierung und seinen Niederlassungen in den wohlhabenden Metropolen rund um den Erdball ist Sotheby’s zu einem der weltweit führenden Auktionshäuser gewachsen. Allein im ersten Halbjahr 2013 verkaufte Sotheby’s zusammen mit seinen Handelsaktivitäten durch Privatverträge Kunst für 3,14 Milliarden Dollar, gegenüber drei Milliarden Dollar im ersten Halbjahr 2012. Konkurrent Christie’s meldete auch gute Geschäfte und gab im Juli ein Allzeit-Rekordergebnis von 3,68 Milliarden Dollar bekannt.

Nach der Finanzkrise 2008 sei das Interesse an Kunst gestiegen, immer mehr Kunden hätten bei Auktionen auch das Wertsteigerungspotenzial und den Anlagewert von Gemälden oder Skulpturen im Blick, sagt Katharina zu Sayn-Wittgenstein. Zugleich habe sich Sotheby’s in den vergangenen Jahren auf hochwertige Objekte spezialisiert: Unter den Hammer kommen nur Stücke ab einem Mindestwert von 4000 bis 5000 Pfund, umgerechnet 4600 Euro. Täglich erreichten das Büro Anfragen von Einlieferern, meist schickten sie Fotos der Stücke per E-Mail, „in diesen Fällen sind wir nach Erstbegutachtung vorwiegend die Verbindung zwischen Kunde und Experte“, sagt die Leiterin von Sotheby’s Hamburg.

Über die Namen der Einlieferer schweigt Katharina zu Sayn-Wittgenstein, oft lösten aber Ereignisse wie Scheidung, Verschuldung oder ein Sterbefall die Entscheidung aus, sich an Sotheby’s zu wenden. Die Kunden wollten ebenfalls anonym bleiben, nur so viel: „Die Hamburger sind offen für Neues, holen sich auf Reisen Anregungen, und interessieren sich heute beispielsweise auch für zeitgenössische chinesische Kunst“, freut sich die Sotheby’s-Chefin über das breit gefächerte Interesse der Hanseaten.

Die 49-Jährige, die in München als Tochter eines Diplomaten geboren wurde, hat schon an vielen Orten gelebt und umgibt sich in ihrem Zuhause in Harvestehude gerne mit Bauhaus-Klassikern und Art déco. Katharina zu Sayn-Wittgenstein trägt mit der Niederlassung in der Hansestadt und einem Einzugsgebiet im ganzen Norden einschließlich Berlin entscheidend zum Erfolg des renommierten Auktionshauses bei. „Wir haben langjährige Verbindungen zu Sammlern aus der Region“, sagt die Direktorin der Hamburger Niederlassung, die seit zehn Jahren für Sotheby’s in der Hansestadt arbeitet und zuvor den Standort Prag aufbaute.

Sotheby’s ist heute mit Auktionszentren in New York, London, Paris und in Hongkong vertreten und beschäftigt mehr als 300 Experten, die über 70 Sammelgebiete betreuen, unter anderem Armband- und Standuhren, Bücher, Fotografien, Gemälde, Möbel, Musikinstrumente, Skulpturen oder Juwelen. Jährlich veranstaltet Sotheby’s mehr als 300 Auktionen weltweit. Immer wieder schaffen es dabei die Summen für besondere Werke in die Schlagzeilen: Vor fünf Jahren erzielte in New York Jeff Koons „Hanging Heart“ mit 23,6 Millionen US-Dollar, umgerechnet 17,2 Millionen Euro, einen Auktionsrekordpreis – das bisher höchste Ergebnis, das je in einer Auktion für ein Werk eines lebenden Künstlers realisiert wurde. Im Mai vergangenen Jahres schrieb Sotheby’s Geschichte als der Auktionator des Abends, Tobias Meyer, Edvard Munchs Meisterwerk „Der Schrei“ als Losnummer 20 aufrief: Nach einem lang anhaltenden Bieterwechsel zwischen anfänglich mindestens acht Bietern, der sich am Ende über zwölf Minuten lang zwischen zwei Bietern am Telefon abspielte, avancierte mit 119,92 Millionen US-Dollar, umgerechnet 91 Millionen Euro, diese von 1895 stammende Version (Pastell auf Karton) zum teuersten jemals zur Auktion kommenden Werk schlechthin.

Auch die in Hamburg gezeigten Werke kommen zur Auktion. Die Preise, die dabei erzielt werden, dürften einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Ob sich jedoch auch Hamburger unter den Käufern befinden, wird dagegen von Sotheby’s wieder traditionell mit hanseatischer Zurückhaltung verschwiegen werden.