Kirche, Gesellschaft und Politik feiern Erzbischof Thissen. Der Geistliche wurde gestern 75 und musste seinen Rücktritt einreichen.

St. Georg. Der Morgen begann für Erzbischof Werner Thissen ausnahmsweise mit einem Frühstück ganz im Kreis der Familie. Zu seinem 75. Geburtstag am Dienstag war seine Schwester aus dem niederrheinischen Kleve mit ihrer Familie nach St. Georg angereist. Ganz gemütlich startete bei brennenden Kerzen an diesem tristen Dezembertag ein Fest, bei dem der Jubilar bis in den Abend hinein Hunderte von Hände schütteln und viele Einladungen erhalten sollte.

Der Unternehmer und Chef der Block-Gruppe, Eugen Block, lud ihn und zehn weitere Gäste eigener Wahl zu einem „zünftigen Blockbräu-Abend“ mit Brezen und Wurst ein. Abaton-Geschäftsführer Matthias Elwardt will Thissen demnächst gern im Kino begrüßen, am besten bei einer Vorstellung mit einem Woody-Allen-Film. Und der Caritas-Kreisverband Westmecklenburg machte das Angebot für eine Bootsfahrt mit der kleinen „Germania“ auf dem Schweriner See. Allerdings zu besserer Jahreszeit.

So sehr Hamburgs Erzbischof Werner Thissen, seit 2003 im Amt, von den kirchlichen Gemeinden und den Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft und Kirche gestern gefeiert wurde – es lag ein bisschen Abschiedsstimmung über dem 3. Dezember. Denn mit der Vollendung des 75. Lebensjahres erreichen die amtierenden Würdenträger in der katholischen Kirche üblicherweise die Altersgrenze. „Ich habe deshalb mein Rücktrittsgesuch eingereicht“, sagte der Geistliche schon vor einigen Tagen. Es sei verabredet, dass Papst Franziskus den Rücktritt in den ersten Monaten des neuen Jahres annimmt. Danach muss ein Nachfolger gefunden werden.

Die vier Feiern am Dienstag hatten deshalb auch den Charakter eines großen, fröhlichen Abschiedsfestes. Sowohl beim Empfang für die rund 200 Mitarbeiter des Erzbistums am Vormittag, für die rund 300 Mitarbeiter der Diakonie und Ordensleute am Nachmittag als auch beim Pontifikalamt im Dom St. Marien und dem abendlichen Treffen von Gästen aus Kirche und Gesellschaft gab es nur ein Thema: Thissen und seine herausragenden Leistungen als Leiter des Erzbistums Hamburg mit rund 400.000 Mitgliedern.

Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) würdigte den Jubilar bereits beim Empfang am Nachmittag als „verlässlichen Brückenbauer zwischen der katholischen Kirche und unserer Stadt“. Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, bezeichnete ihn während des Pontifikalamtes als „beständigen Mahner für mehr globale Solidarität und Gerechtigkeit“. Als Misereor-Bischof habe er nachdrücklich den „Mächtigen ins Gewissen“ geredet. In Hamburg sei ihm die richtige Balance zwischen „Bodenständigkeit und Weltoffenheit“ gelungen. Und Gerhard Ulrich, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, dankte Thissen für „alle Initiativen und Impulse“ der vergangenen zehn Jahre.

Nur Klaus Schlie, Präsident des schleswig-holsteinischen Landtages, begann sein Grußwort mit einer Anekdote, die beim ersten Zuhören einen missverständlichen Blick auf den Erzbischof werfen könnte. „So lässt sich“, erzählte der Politiker, „vielleicht auch die Geschichte erklären, die sich heute noch hartnäckig hält.“ Und die geht so: Als eine Abordnung des Hamburger Domkapitels an einem dunklen Herbsttag 2002 nach Westfalen reiste, um Werner Thissen über die erfolgte Wahl zum neuen Erzbischof von Hamburg zu informieren, antwortete er statt mit einem strahlenden Lächeln mit ernster Miene und der Aufforderung an die Überbringer dieser Nachricht: „Brüder, lasst uns beten.“

Das, so kommentierte Landtagspräsident Schlie die Anekdote, sei freilich nicht Ausdruck einer negativen Überraschung und die Aussicht auf eine ungewisse Zukunft im hohen Norden gewesen. „Nein, dies war vielmehr Ausdruck einer tiefen und überzeugenden Frömmigkeit“, deutete Schlie die betende Geste zu Recht. Dass Thissens Hamburger Amtsjahre höchst erfolgreich waren, brachten viele Gratulanten zum Ausdruck. Olaf Scholz zum Beispiel verwies auf den 2005 unterzeichneten Kirchenvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Stadt Hamburg und – nicht zuletzt auf das Wintersemester 2014/2015. Dann nämlich werden die ersten Studienanfänger an der Uni Hamburg Katholische Theologie für das Lehramt studieren.

Höhepunkt der Geburtstagsfeier war das Pontifikalamt im Dom St. Marien. In seiner Predigt wählte der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki Vergleiche zur maritimen Welt. Thissen habe sich als erfahrener und mutiger Steuermann erwiesen, dem an „Ausgleich und Miteinander auf dem Schiff ‚Erzbistum Hamburg‘“ gelegen sei. Mit einem Empfang ging das Fest zu Ende. Unter den 400 Gästen waren die Lyrikerin Ulla Hahn, das Unternehmer-Ehepaar Christa und Eugen Block, die Schweriner Justizministerin Uta-Maria Kuder, Reeder Peter Krämer, Ex-Treuhandchefin Birgit Breuel, Bischöfin Kirsten Fehrs sowie der frühere Kieler Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Geburtstagsspenden wurden auf Wunsch des Jubilars für ein Misereor-Hilfsprojekt in Bolivien gesammelt.