Produzenten rund um Hamburg rechnen mit gutem Geschäft. Wer etwas Besonderes möchte, muss in diesem Jahr mehr bezahlen.

Hamburg. „Früher war mehr Lametta“, lautet der wohl berühmteste Klagesatz von Opa Hoppenstedt und recht hatte er. Mehr Lametta, mehr Glitzer und Kitsch gab es zu Weihnachten einst im heimischen Wohnzimmer, der Keimzelle deutscher Gemütlichkeit. Doch auch bei Loriots berühmter Sketchfamilie hatte dieser Trend ausgedient. Sehr zum Leidwesen ihres marschmusikbegeisterten Seniors beschloss Mutter Hoppenstedt, verkörpert durch die unvergleichliche Evelyn Hamann: „Dieses Jahr bleibt der Baum grün. Naturgrün. Mit frischen, natürlichen Äpfeln.“

Die Deko- und Schmucktrends mögen sich je nach Zeitgeist ändern – doch eines bleibt so unerschütterlich wie die deutsche Eiche: der Weihnachtsbaum selbst. Beziehungsweise die Tradition, sich das Nadelgewächs nach Haus zu holen und fröhlich zu behängen. Was für ein Glück für die deutsche Weihnachtsbaumindustrie, die sich schon jetzt angesichts einer vielversprechenden Saison die Hände reibt.

Denn auch in diesem Jahr steht ihr wieder ein gutes Geschäft ins Haus. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage bleibt wie im letzten Jahr“, sagt Hans-Georg Dreßler, Sprecher des Bundesverbandes der Weihnachtsbaumerzeuger. Was das bedeutet, zeigen Zahlen: 2012 wies der Hauptverband der Deutschen Holzindustrie einen Umsatz von 700 Millionen Euro für Weihnachtsbäume aus. 29,2 Millionen Weihnachtsbäume wurden verkauft. Beide Ziffern sind in den letzten Jahren immer weiter angestiegen – immerhin gibt es vor allem in Großstädten wie Hamburg immer mehr Haushalte und damit mehr potenzielle Weihnachtsbaumaufstellorte.

Zur anderen Seite der Medaille gehört aber, dass die Verbraucher auch etwas tiefer in die ohnehin schon vom Geschenkekauf strapazierte Brieftasche greifen müssen – jedenfalls wenn sie sich von der Masse absetzen wollen: Die Nordmanntanne, die mit einem Marktanteil von 70 Prozent das beliebteste weihnachtliche Nadelholz ist, kostet 2013 pro laufendem Meter zwischen 16 Euro und 22,50 Euro – also so viel wie im letzten Jahr. Etwas teurer werden aber Blaufichten, die 15 Prozent der Deutschen kaufen: Hier kostet der Meter zwischen zehn und 14 Euro und damit im Schnitt einen Euro mehr als 2012. „Weil die Nachfrage niedrig ist, wird auch weniger produziert“, erklärt Dreßler den Preisanstieg. Am günstigsten ist die Rotfichte. Hier werden fünf bis sieben Euro pro Meter fällig.

Zwar dauert es bis Weihnachten noch gute vier Wochen – für die Weihnachtsbaumproduzenten läuft die Saisonvorbereitung aber schon seit Monaten. „Die Arbeit fürs Weihnachtsgeschäft geht für uns schon im März los“, sagt Jörg Brinckmann, Verwalter auf Gut Schönau, das in Reinbek unmittelbar vor den Toren Hamburgs liegt. Auf 30 Hektar werden hier Nordmanntannen herangezogen. Sieben bis neun Jahre dauert es, bis ein Baum zwei Meter groß ist.

Im Frühjahr beginne es also mit der Baumpflege, erklärt Brinckmann. „Dazu gehört, auf Schadinsekten zu achten und die Bäume zu behandeln, wenn es davon zu viele gibt. Zum Beispiel die Tannentrieblaus kann einen erheblichen Schaden verursachen, wenn wir nicht eingreifen“, sagt er. Außerdem bekomme ein Teil der Bäume, von denen rund 7500 auf einem Hektar stehen, einen „Pflegeschnitt“. Damit sie so wachsen, wie Weihnachtsbäume aussehen sollen. „Im Mai düngen wir dann, damit es eine schöne grüne Nadelfarbe gibt. Dann kann man erst einmal nicht viel mehr machen als warten.“

Und gewartet wird bis September, wenn die Bäume ausgezeichnet und in drei verschiedene Qualitätsstufen kategorisiert werden. Die Auslieferung an die Großhändler erfolgt zum ersten Advent. Ab zweiten Advent können dann die Endverbraucher ihren Baum auch auf Gut Schönau abholen.

Die Hauptanbaufläche für Tannenbäume liegt in Deutschland allerdings nicht in Schleswig-Holstein, sondern im Sauerland. Dahinter folgt Niedersachsen. Die meisten hier angebotenen Bäume sind deutsche Bäume – ein kleiner Teil wird zudem aus Dänemark importiert. Die Weihnachtsbaumbranche macht dabei nicht nur Familien in Festtagsstimmung glücklich, sondern kurbelt auch die Wirtschaft an. Etwa 12.000 Produzenten sind laut Schutzgemeinschaft Deutscher Wald haupt- oder nebenerwerbsmäßig mit dem Anbau von Weihnachtsbäumen beschäftigt. Die Weihnachtsproduktion sichert rund 100.000 Dauer- und Saisonarbeitsplätze. In der Verkaufssaison kommen 50.000 Arbeitsplätze dazu.

Jeder dritte Deutsche holt sich seinen Baum an den typischen Ständen eines Händlers, jeder vierte fährt direkt zum Erzeuger und jeder fünfte in den Baumarkt. Hier wartet allerdings ein noch größerer Feind als die Tannentrieblaus auf das Nadelgewächs: der künstliche Baum aus Plastik. Auch die werden mehr, „gehen gottlob aber in erster Linie in den gewerblichen Bereich“, sagt Dreßler. Im privaten Bereich liege der Anteil der Kunststofftanne unter fünf Prozent. Natürlichkeit zählt also weiterhin – wie bei Familie Hoppenstedt von Loriot.

In Norddeutschland werden seit dem 12. November die ersten Weihnachtsbäume gefällt, denn an diesem Datum wurde die Weihnachtsbaumsaison in der Region offiziell eröffnet. Die nun der Axt zum Opfer gefallenen Exemplare sind aber vor allem für Hotels oder den Handel gedacht. Die Privatbäume werden erst kurz vor dem Verkauf gefällt, damit sie frisch bleiben. „O Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter“, will man dem Nadelgewächs schließlich auch in diesem Jahr entgegensingen. Eine Tradition, die fast ewig gilt. Ob mit oder ohne Lametta.